Unser neues Austauschformat zu aktuellen Trends und Projekten der digitalen Stadtplanung und Beteiligung fußt auf drei wesentlichen Ideen. Erstens ist es ein wiederkehrendes Format, denn nur durch einen kontinuierlichen Austausch lassen sich die Komplexität und die Potenziale dieses Themenfeldes erschließen. Gleichwohl ist aufgrund unterschiedlicher Themenschwerpunkte, die Teilnahme interessierter Personen an den einzelnen Terminen freiwillig.
Zweitens repräsentieren die Teilnehmer:innen einen Akteursmix aus Wissenschaft, Planungsbüros, Lösungsanbietern, Immobilienwirtschaft und Kommunen. Denn oft mangelt es für die Meisterung von aktuellen Herausforderungen in der Stadtplanung weniger an fehlenden Best Practices oder Tools, sondern an der organisatorischen Komponente: Wo wurde schon welches Erfahrungswissen gesammelt? Wer kennt wen? Wer hat welche Ressourcen und Kompetenzen? Wo lassen sich Synergien schaffen?
Drittens verzichten wir bei diesem Austauschformat auf das klassische Bühne/Publikum-Konzept und laden stattdessen alle Teilnehmer:innen dazu ein, ihre Gedanken zu den vorgestellten Inputs mit allen zu teilen. Nach jedem Input gibt es Raum für Diskussion, die bei Bedarf in einen bilateralen Austausch münden kann.
Informationen und Anmeldemöglichkeiten zu folgenden Veranstaltungen dieser Austauschrunde finden Sie hier.
1. Da fällt uns ein…
Zu Beginn der Vorstellungsrunde haben sich alle Teilnehmer:innen vorgestellt und in Eingangsstatements beantwortet, welche drei Begriffe ihnen beim Einsatz digitaler Technologien in Stadtplanungs- und Beteiligungsprozessen einfallen. Häufig erwähnt wurde die Facette der gleichberechtigten Teilhabe an sich zunehmend digitalisierenden Beteiligungsprozessen. Dies fügt sich nahtlos in die übergeordnete Herausforderung der Digitalisierung als gesellschaftlichen Transformationsprozess ein. Denn der breit aufgestellte Aufbau von Medienkompetenzen ist essenziell für die Nutzung von digitalen Möglichkeiten zum Ziele einer fairen Teilhabe am Gesellschafts- und Wirtschaftsleben. Wenn alle Bevölkerungsgruppen entsprechend befähigt werden, so eröffnen digitale Tools bisher ungeahnte Möglichkeiten, die Zugänglichkeit, Zukunftserfahrbarkeit und Verräumlichung von stadtplanerischen Inhalten zu steigern. Beispiele hierfür sind interaktive Kartenanwendungen, Stadtmodelle– bzw. –simulationen sowie Technologien für immersive Wahrnehmungen von geplanten Raumszenarien mittels Virtual/Augmented Reality und Touchtables.
Vonseiten der Stadtverwaltung stellt sich in diesem Zusammenhang konkret die Notwendigkeit nach dem internen Kompetenzaufbau, denn selbst wenn die Tools frei als Open Source verfügbar sind, so kann deren technische Implementierung nur mit entsprechender Fachexpertise gelingen. Zudem steht und fällt das Entfaltungspotenzial eines jeden Tool mit dem Grad der (Geo)Datenverfügbarkeit, Interoperabilität und der dafür erforderlichen behördenübergreifenden Zusammenarbeit. Aus prozessualer Sicht stand zudem die Frage im Raum, wie digitale Technologien so in Stadtplanungs- und Beteiligungsprozesse eingeflochten werden können, dass sie einen deutlich erfahrbaren Mehrwert stiften.
2. Vorgestellte Projekte und Tools
DIPAS – Mateusz Lendzinski
Mateusz Lendzinski, tätig in der Hamburger Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen für die Stabsstelle ‘Stadtwerkstatt und Partizipationsverfahren’, stellte in seinem Vortrag das digitale Partizipationssystem vor (DIPAS). DIPAS ist ein medienbruchfreies digitales System zur Bürgerbeteiligung, das im Rahmen eines öffentlich geförderten Forschungsprojektes zwischen 2017 bis 2020 entwickelt wurde. Als wesentliche Anlässe für DIPAS fungierten zum einen die deutlich größeren Möglichkeiten der Bereitstellung von Planinhalten auf digitalem Weg. Mit einer digitalen Anzeige von raumbezogenen Informationen können Fachplanungsdaten zu- und abgeschaltet, Maßstäbe blitzschnell verändert und damit planerische Sachverhalte besser vermittelt werden. Zum anderen lassen sich über ein digitales System gesammelte Ideen, effizienter auswerten. Medienbrüche wie bspw. die Digitalisierung analog entstandener Notizzettel entfallen und die Beteiligungskommentare lassen sich maschinengestützt auswerten.
Bei Bedarf kann DIPAS auf interaktiven Touchtables ausgespielt werden, wobei sichergestellt ist, dass auch dabei die online mitgeteilten Beteiligungsbeiträge räumlich verortet einsehbar sind. Damit können Menschen, die aus zeitlichen Gründen einer Präsenzveranstaltung nicht beiwohnen können, dennoch am Beteiligungsprozess partizipieren. Im Zuge der COVID-19-Pandemie hat die Online-Beteiligung mit DIPAS bei der BSW Hamburg seit dem Jahr 2020 merklich zugenommen. Erfahren Sie mehr über DIPAS in einem ausführlichen Artikel von Mateusz Lendzinski.
Virtual City Systems – Stefan Trometer
Dr.-Ing. Stefan Trometer, Co-Geschäftsführer der in Berlin ansässigen virtual city systems GmbH stellte in seinem Input Kundenprojekte mit mehreren europäischen Städten vor. Als Lösungsanbieter von 3D-Geodateninfrastrukturen für das Verwalten, Verteilen und Nutzen von Stadtmodellen befähigt das Unternehmen Städte dazu, ihre Datenschätze zusammenzuführen und in stadtplanerisch relevante Anwendungen zu überführen. Wenn fachbereichseigene Datensilos aufgebrochen und zusammengeführt werden, reichert sich der digitale Zwilling einer Stadt peu à peu an. Entsprechend wachsen seine Anwendungsmöglichkeiten überproportional: Neben städtebaulichen Planungen, kann der digitale Zwilling als verwaltungsinterne Informationsplattform, Stadtmarketinginstrument bei Investorengesprächen und Analyse- und Auswertungstool für allgemeine Stadtentwicklungsprozesse, fungieren.




Virtual City Systems beteiligt sich aktiv an der Entwicklung offener Standards wie CityGML für Stadtmodelle und IFC für BIM-Modelle, ebenso wie das Unternehmen auch Städte und Regionen bei der Implementierung des Masterportals (Open Source-Geoportal) unterstützt. Dr.-Ing. Stefan Trometer erläuterte einen wesentlichen Vorteil offener Standards damit, dass die Lösungen dadurch einen höheren Grad an Reproduzierbarkeit aufweisen und so kleinere Kommunen von den in größeren Städten entwickelten Anwendungen, profitieren können. Er wies interessierte Praktiker:innen rundum das digitale Planen und Bauen auf das Weiterbildungsangebot zu digitalen Zwillingen hin, das sie in Zusammenarbeit mit dem Leonhard Obermeyer Center voraussichtlich im März nächsten Jahres erneut anbieten werden.
Projekt-Check – Stephan Große
Stephan Große, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der HafenCity Universität Hamburg stellte im Rahmen der Austauschrunde das digitale Werkzeug Projekt-Check vor, das Kommunen und Planungsbüros bei der nachhaltigen Siedlungsentwicklung unterstützt. Projekt-Check setzt im Planungsablauf in der Frühphase an und soll gezielt dem Informationsdefizit in der Siedlungsplanung entgegenwirken. Am Planungsprozess beteiligte Akteure können mit dem Tool zu Beginn eine einfache Standortalternativenprüfung durchführen, um die gewonnenen Erkenntnisse für eine Nachhaltigkeitsbetrachtung in Bezug auf die angedachte Raumentwicklung zu nutzen.
Dabei greift Projekt-Check auf bundesweite statistische Mittelwerte von Infrastrukturkosten, Verkehrsbelastung, Bevölkerungsprognosen u.a. zu. Stephan Große erläuterte, dass die von Projekt-Check ausgegebenen Schätzungen vom Tool nicht bewertet werden, sodass bei der Interpretation der Daten die Lokalexpertise der vor Ort handelnden Akteure zum Tragen kommt. Projekt-Check existiert in zwei Varianten Web-Check (online abrufbar) und Profi-Check (Add-In für ArcMap oder QGIS), ist komplett Open Source.

Abb. 7 – Projekt-Check erlaubt eine Folgenabschätzung der Planungsalternativen anhand von 7 Wirkungsbereichen (Abb.: Projekt-Check)

3. Fazit
Dank der praxisorientierten und qualitativ hochwertigen Projektvorstellungen und der regen Beteiligung der Teilnehmer:innen hat der Gedankenaustausch mehrere spannende Erkenntnisse generiert. Auf einer allgemeinen Ebene lässt sich festhalten, dass bei der Auswahl und dem Einsatz eines digitalen Tools stets dessen Funktionsumfang mit dem inhaltlichen Planungsschritt abgeglichen werden sollte. Während Projekt-Check sehr schnell grobe Erkenntnisse über die Planfolgen liefert, DIPAS seinen Schwerpunkt auf die Optimierung von beteiligungsbezogenen Prozessen setzt, lassen sich bei der Ausschöpfung der Lösungen von virtual city systems sogar komplexe urbane Simulationen durchführen, die unter anderem genaue Rückschlüsse auf Windstromeinflüsse städtebaulicher Alternativen ermöglichen.
Vor diesem Hintergrund ist es meines Erachtens sinnvoll, möglichst anwendungsorientiert und anschaulich über umgesetzte Projekte zu berichten. So können wir dieses Erfahrungswissen mit anderen Praktiker:innen teilen und letztlich die Potenziale der digitalen Lösungen „in der Fläche“ entfalten. So würde die Digitalisierung der Stadtplanung definitiv helfen, den gegenwärtigen Herausforderungen des Klimawandels, demografischen Wandels u.v.m. zu begegnen.