Donnerstag, 18. September 2025
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Tobias Weinmann im Gespräch: Wie KI die Beteiligung mit Consul verändert

Tobias Weinmann ist Gründer von demokratie.today und treibt in dieser Rolle vor allem die Weiterentwicklung von Consul voran – der führenden Open-Source-Plattform für digitale Bürgerbeteiligung. demokratie.today betreibt bereits über 30 Consul-Instanzen in Deutschland und unterstützt Städte und Kommunen dabei, Beteiligung technologisch weiterzudenken und für möglichst viele Menschen zugänglich zu machen.

Er bringt ein tiefes technisches Verständnis mit, das er sich unter anderem durch autodidaktisch erlernte Programmierkenntnisse angeeignet hat. Dieses Know-how ermöglicht ihm, gemeinsam mit seinem Entwicklungsteam für Consul neue Funktionen zu konzipieren und praxisnah umzusetzen. Neben demokratie.today ist er auch an weiteren digitalen Projekten beteiligt – etwa in der datenbasierten Fußballanalytik und der Digitalisierung von Unternehmensprozessen.

Ein besonders relevantes Thema ist für ihn der Einsatz von Künstlicher Intelligenz in der digitalen Beteiligung. In Webinaren hat er dazu bereits mehrfach konkrete Anwendungsmöglichkeiten und Entwicklungspotenziale aufgezeigt. Im Interview sprechen wir mit ihm daher vor allem über aktuelle technologische Entwicklungen, die Rolle von KI und wie die globale Consul-Community diese Entwicklung aufgreift.

1. Erfahrungen mit KI in der Bürgerbeteiligung

Ihr habt euch bei demokratie.today schon früh intensiv mit dem Einsatz von KI in der Bürgerbeteiligung auseinandergesetzt und verschiedene Anwendungen entwickelt. Welche Erfahrungen habt ihr dabei in der Zusammenarbeit mit Städten gesammelt?

Unsere bisherigen Erfahrungen mit KI in der Bürgerbeteiligung sind zweigeteilt: Auf der einen Seite sehen wir in den Städten klare Effizienzgewinne und eine spürbar höhere Qualität der Ergebnisse. Auf der anderen Seite stoßen wir in der Zusammenarbeit immer wieder auf strukturelle Hürden – etwa fehlende KI-Strategien in den Verwaltungen oder enge Budgetzyklen, die die Einführung neuer Anwendungen bremsen. Die Zurückhaltung liegt also weniger am Nutzen selbst, sondern an organisatorischen Rahmenbedingungen, die vielerorts noch nicht geschaffen sind.

Praxisbeispiele: Projektmanager-Bot und Sprachassistent

Konkret haben wir zwei Bots produktiv im Einsatz: den Projektmanager-Bot in Bamberg und Bochum sowie einen KI-Sprachassistenten z.B. in Siegburg. Der Projektmanager-Bot reduziert den Aufwand für die Erstellung von Beteiligungsprojekten drastisch – Projekte, die früher mehrere Stunden dauerten, lassen sich heute in 15 bis 30 Minuten umsetzen. Er bietet Unterstützung sowohl für Unerfahrene, die Schritt für Schritt durch den Prozess geführt werden, als auch für Erfahrene, die Inhalte gezielt per KI anpassen lassen. Ein wesentlicher Vorteil liegt darin, dass er nicht nur Texte generiert, sondern auch in das System eingreift – etwa um Design-Elemente wie Bildergalerien oder Akkordeons zu erstellen, ohne dass Nutzer selbst HTML-Kenntnisse benötigen.

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Der Sprachassistent adressiert die Bürgerseite: Vorschläge oder Mängelmeldungen können per Sprache eingebracht werden. Der Bot stellt Rückfragen, strukturiert die Eingaben und prüft gleichzeitig, ob die Vorschläge zu den Kriterien des Projekts passen. Das führt zu deutlich besseren Beiträgen, die auf der Plattform einheitlich und nachvollziehbar dargestellt werden, und entlastet gleichzeitig die Verwaltungen, weil weniger passende Vorschläge nachträglich aussortiert werden müssen. Die Bürger wiederum bewerten den Assistenten überwiegend positiv – nicht als Ersatz für persönliche Beteiligung, sondern als hilfreiches Werkzeug.

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Zentrale Learnings aus den Pilotstädten

Aus diesen Projekten haben wir wichtige Schlüsse gezogen: Nutzerfreundlichkeit ist entscheidend, da viele Projektmanager nur begrenzte Erfahrung mit digitalen Tools oder mit dem Formulieren von Prompts haben. Hier braucht es klare Oberflächen und gegebenenfalls kurze Schulungen. Gleichzeitig zeigt sich, dass der Erfolg solcher Anwendungen eng an die strategischen und finanziellen Rahmenbedingungen in den Kommunen geknüpft ist.

Insgesamt bleibt das Bild: Wo die organisatorischen Voraussetzungen stimmen, profitieren Städte stark von den KI-Lösungen – durch schnellere Umsetzung, höhere Qualität und einfachere Teilhabemöglichkeiten für Bürger. Wo diese Rahmenbedingungen noch fehlen, verzögert sich der Einsatz, auch wenn der Mehrwert unstrittig ist.

2. KI in der Consul-Community

Welche aktuellen Entwicklungen gibt es im Bereich KI in der Consul-Community? Wer sind die zentralen Akteure, und welche Initiativen treiben sie aktuell voran?

Aus unserem engen Kontakt zu Städten und zur Consul-Community heraus, sehen wir derzeit neben uns selbst noch drei Akteure, die maßgeblich an der Weiterentwicklung von KI im Umfeld von Consul arbeiten.

Open-Source-Entwicklung im Rahmen der Modellprojekte Smart Cities

Ein wichtiger Player sind die Stadt Würzburg und der Landkreis Kusel im Rahmen des Smart-City-Programms der Bundesregierung. Dort sollen auf Open-Source-Basis zwei Bots entstehen: einer zur Unterstützung von Projektmanagern bei der Erstellung von Beteiligungsprojekten und einer zur Analyse von Beteiligungsprojekten.

Die Grundlagenarbeit umfasst die Auswahl der Consul-Instanz und die Anbindung an verschiedene Sprachmodelle (LLMs). Auf dieser Basis baut Kusel zusammen mit dem Fraunhofer IESE die eigentlichen Anwendungen. Die Frage ist dann, wie übertragbar diese Ergebnisse auf andere Consul-Anwender sein werden.

Consul Foundation – Förderung durch Google Impact Fund

Die Consul Foundation ist der globale Player, der die Community organisiert, Spendengelder einwirbt und den Originalcode weiterentwickelt. Sie hat kürzlich eine Förderung aus dem Google Impact Fund erhalten – ein sechsstelliger Betrag, der nicht nur für KI-Entwicklung vorgesehen ist, sondern auch für Trainings und Community-Aktivitäten.

Mit Blick auf KI will die Foundation vor allem Sensemaking-Funktionen entwickeln und das Original-Consul mit entsprechenden Tools verbinden. Geplant sind zudem weitere Beteiligungsbots, die direkt auf Basis des Originalsystems entstehen.

AI for Deliberation – EU-weites Forschungs- und Entwicklungsprojekt

Ein weiterer Player ist das EU-Projekt „AI for Deliberation“. Mit einem Budget in Millionenhöhe und Beteiligung mehrerer Universitäten, Städte und Länder, unter anderem Italien und Griechenland, sollen hier Bots für Deliberationsprozesse (demokratische Entscheidungsprozesse) entstehen. Dazu gehören Anwendungen zur Übersetzung oder zur Erkennung und Einordnung von Fake News. Erste Praxispartner sind Kommunen, die bereits heute auf Consul setzen und deren Plattformen von uns betreut werden.

Alle vier Initiativen zielen in eine ähnliche Richtung – KI-gestützte Erweiterungen für Consul. Derzeit laufen die Aktivitäten noch nebeneinander, sinnvoll wäre jedoch aus meiner Sicht eine gemeinsame Grundlage, auf der unterschiedliche Entwicklungen aufsetzen können.

3. Vorschlag für die Community: Ressourcen bündeln

In der Vergangenheit hat die Consul-Community gezeigt, dass Ressourcen gebündelt und Entwicklungen geteilt werden können. Wäre eine ähnliche Zusammenführung auch im Bereich KI sinnvoll – und wie könnte sie konkret aussehen?

Ja, eine Zusammenführung wäre sinnvoll, denn sie entspricht der Ursprungsidee von Consul. Die Community hat immer wieder gezeigt, dass gemeinsames Arbeiten und das Teilen von Ergebnissen die Entwicklung voranbringen. Die Consul Foundation leistet hier als globaler ideeller Förderer der Consul-Idee eine wichtige Arbeit, indem sie den globalen Austausch organisiert und die Weiterentwicklung koordiniert.

In den letzten Jahren ist zugleich eine vielfältige Landschaft entstanden. Politische Entwicklungen in Madrid führten dazu, dass sich die Stadt aus der Weiterentwicklung des ursprünglichen Codes zurückgezogen hat. In der Folge sind in verschiedenen Ländern eigene Forks und Versionen entstanden, die unterschiedliche Schwerpunkte setzen. Diese Vielfalt hat die Weiterentwicklung bereichert, führt aber auch dazu, dass ähnliche Funktionen mehrfach entwickelt werden.

Chance durch KI

Gerade die aktuellen KI-Initiativen eröffnen die Möglichkeit, diese Vielfalt wieder stärker zu bündeln. Anstatt dass jede Version ihre eigenen Erweiterungen baut, könnte eine gemeinsame technische Grundlage entstehen, die unabhängig vom jeweiligen Entwicklungsast funktioniert und von allen genutzt werden kann.

Ein denkbarer Weg wäre eine „Groundwork“-Architektur. Sie würde als Middleware zwischen den verschiedenen Consul-Versionen und den KI-Anwendungen stehen. Im Frontend ließe sich auswählen, welche Instanz angebunden ist, während die Schnittstelle den Zugang zu unterschiedlichen Sprachmodellen ermöglicht – sowohl zu Open-Source-Ansätzen wie Mistral als auch zu kommerziellen Diensten wie OpenAI. Da diese Architektur außerhalb von Consul liegt, bleibt das System selbst schlank, während Erweiterungen separat laufen können.

Mit einer solchen Basis könnten KI-Anwendungen wie Sensemaking, Übersetzungen oder Analysefunktionen gemeinsam entwickelt und genutzt werden. Das würde verhindern, dass Budgets mehrfach für ähnliche Lösungen eingesetzt werden, und gleichzeitig die Qualität einzelner Funktionen erhöhen. Vor allem aber würde es die Community wieder enger zusammenbringen, weil alle auf demselben Unterbau aufbauen könnten.

Ausblick

Wir als demokratie.today sind an vielen Schnittstellen eingebunden: in Förderprogrammen, in der Zusammenarbeit mit Städten sowie im Austausch mit der Consul Foundation und dem deutschen Förderverein Mehr Demokratie e.V.

Aus dieser Position heraus sehen wir die Möglichkeit, mit einer gemeinsamen Groundwork-Architektur die Kräfte in der Community zu bündeln und die KI-Entwicklung so zu gestalten, dass Anwender, Förderer und Betreiber von Consul in dieselbe Richtung arbeiten und gleichermaßen profitieren.

Wir danken Ihnen für das inspirierende Interview und freuen uns auf die weitere KI-Entwicklung im Bereich der digitalen Beteiligung!

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Dieses Portal informiert über Themen, Akteure, Projekte und Strategien rundum die digitale Stadt. Unsere Vision ist es, die Triebkraft der Digitalisierung in die Bahnen einer erstrebenswerten Stadtentwicklung zu lenken.

Dazu forcieren wir den inhaltlichen Austausch über die digitale Stadt zwischen Akteuren aus Forschung, Wirtschaft, öffentlicher Verwaltung und Zivilgesellschaft.

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