Der Begriff „Stadtentwicklung“ scheint recht selbsterklärend zu sein. Der allgemeine Sprachgebrauch meint mit „Entwicklung“ die Entfaltung gewisser Prozesse und „Stadt“ setzt eben diese Prozesse in Bezug auf eine größere Siedlung. Stadtentwicklung lässt sich auf diese Weise unkompliziert als die Entfaltung sämtlicher Prozesse innerhalb eines urbanen Raums erklären. Nach dieser einfach hergeleiteten Erkenntnis stellt sich jedoch die Folgefrage, welche Entwicklungen konkret gemeint sind. Diese Entwicklungen sind äußerst vielfältig, denn sie umfassen das System Stadt in seiner Komplexität und Dynamik bezüglich seiner räumlichen, demografischen, ökonomischen und gesellschaftlichen Abläufe und wie sie sich in der Stadtstruktur niederschlagen (vgl. Streich, 2011, S. 515). Somit kennzeichnet sich der Begriff Stadtentwicklung durch einen ausgesprochen umfassenden Erklärungsanspruch und findet folglich Verwendung in unterschiedlichsten Kontexten.
Aus dem gegenwärtigen Diskurs über die Stadt kristallisieren sich zumindest vier solcher Verwendungskontexte heraus: Stadtentwicklung aus historischer Sicht, als kommunale Planungsaufgabe, als die Summe der zu erwartenden Entwicklungen für eine Stadt und im Sinne von Leitvorstellungen. In jedem der vier Zusammenhänge erlangt der Begriff seine spezifische Deutung. Gleichwohl ist allen Begriffsdeutungen das Verständnis gemeinsam, dass die Entwicklungen einer Stadt neben ihrer baulich-räumlichen Dimension auch hinsichtlich ihrer funktionalen und gesellschaftlichen Dimensionen betrachtet werden müssen. Die funktionale Dimension beschreibt Stadträume bezüglich ihrer tatsächlichen und möglichen Funktionen wie z. B. Wirtschaften, Wohnen, Verkehr, Konsum oder Naherholung (vgl. Selle u. a., 2011, S. 4). Die gesellschaftliche Dimension fasst Klaus Selle als „die vielen, zum Teil »unsichtbaren« Aspekte zusammen, die Stadtleben und Stadtentwicklung prägen: Ökonomie, Politik, Bevölkerungsentwicklung, Sozialstrukturen und -milieus etc.“ (Selle u. a., 2011, S. 5).
1. Begriffsdeutungen von Stadtentwicklung
Historische Begriffsdeutung
Die historische Sichtweise untersucht vergangene Entwicklungen von Städten. Kernelement dieser Begriffsdeutung sind stadtbaugeschichtliche Untersuchungen bzw. das Beantworten der Fragestellung, „wie sich die Entwicklung einer Stadt oder die Gesamtheit städtischer Systeme in Struktur und Gestalt vollzogen hat“ (Streich, 2011, S. 524). Dieser allumfassende Charakter des Untersuchungsgegenstandes schließt die Möglichkeit einer einzigen Theorie von Stadtentwicklung aus. Diese Unmöglichkeit resultiert aus der Vielzahl und wechselseitigen Beeinflussung der entwicklungsbestimmenden Kenngrößen von städtischen Entwicklungen (vgl. Streich, 2011, S. 526). Vielmehr existieren mehrere Theorien, die den Wandel von Städten jeweils aus einem bestimmten Blickwinkel zu beschreiben versuchen. Exemplarisch sei hier kurz das Phasenmodell der Theorie der Urbanisierungszyklen nach Leo van den Berg angeführt, die Stadtentwicklung im Hinblick auf demografisch-räumliche Veränderungen in den westlichen Industrienationen betrachtet. Eine Zusammenstellung von Modellen weiterer theoretischer Ansätze der Stadtentwicklung ist hier (ab S. 3) zu finden.
Das Modell stellt die räumliche Bevölkerungsverteilung anhand idealtypischer Entwicklungsphasen dar. Die Wirklichkeit zeichnet jedoch ein weitaus differenzierteres Bild städtischer Entwicklungen, in dem zum einen nicht alle Phasen überall zu beobachten waren und zum anderen verlaufen manche Phasen in derselben Stadt gleichzeitig. Während bspw. junge Familien naturnahe Wohnstandorte am Stadtrand bevorzugen (Suburbanisierung), strömen wohlhabende Singlehaushalte eher in innerstädtisch gelegene Wohnanlagen (Reurbanisierung). (vgl. Selle u. a., 2011, S. 1-3)
Stadtentwicklung als Planungsaufgabe
Diese Begriffsdeutung beabsichtigt die Planung zukünftiger Entwicklungen einer Stadt. Stadtentwicklungsplanung definiert einen strategischen Entwicklungskurs für die Stadt und setzt damit den Rahmen für Einzelplanungen wie etwa die Bauleitplanung, Finanz- und Haushaltsplanung, Verkehrsplanung oder die Planung wirtschaftsfördernder Maßnahmen (vgl. Streich, 2011, S. 540). Ihre Ursprünge findet Stadtentwicklungsplanung Anfang der 1960er Jahre, als Norbert Lenort erstmals den Begriff Entwicklungplanung im kommunalen Kontext verwendete und diese wie folgt definierte:
„die Gesamtheit der Tätigkeiten […] mit denen die Schaffung, nachhaltige Sicherung und ständige Verbesserung der materiellen und immateriellen Voraussetzungen für das Wohl der Gemeindemitglieder […]“ (Lenort, 1960, S. 31)
Das Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung versteht die heutige Stadtentwicklungsplanung ebenfalls als eine fachübergreifende Koordinationsaufgabe im Sinne des Gemeinwohls (BBR 2000, S. 12). Das städtische Gemeinwohl äußert sich in einen möglichst einfachen Zugang aller Stadtbewohner zu Ressourcen, die ihre Ansprüche an Wohnen, Erholen und Arbeiten bzw. Lernen erfüllen. Auf einer konkreteren Ebene bedeutet dies für den Anspruch des Erholens bspw. ein breites Sport- und Kulturangebot, viele Park- und Grünanlagen, ein lebhaftes Nachtleben und öffentliche Räume mit hoher Aufenthaltsqualität. Die Ansprüche an das Wohnen implizieren z. B. die Existenz unterschiedlicher Wohnformen (Einfamilienhäuser, Mehrfamilienhäuser), genügend Wohnangebote für alle Einkommensklassen sowie eine gesicherte Daseinsvorsorge. Um dem Anspruch des Arbeitens gemeinwohlorientiert gerecht zu werden, ist u. a. ein Arbeitsmarkt zu realisieren, der nicht nur hoch qualifizierten Berufsgruppen die Möglichkeit der Erwerbstätigkeit bietet.
Neben dem Gemeinwohl ist die Stadtentwicklungsplanung auch für die Identitätsbildung einer Stadtgesellschaft ausschlaggebend. Sie konkretisiert und reproduziert all das, was eine Stadt ausmacht – welche Geschichte sie geprägt hat und was für einen spezifischen Aktions- und Lebensraum sie in ihrer räumlichen Organisation bietet. Erzählt die Stadt eine Geschichte der Industrialisierung, wie es z. B. den Städten im Ruhrgebiet kennzeichnend ist, oder wurde sie in ihrer Entwicklung maßgeblich von vorindustriellen Architekturepochen geformt wie die Städte Karlsruhe und Dresden in etwa? Insbesondere im Zuge der Globalisierung und dem damit einhergehenden verstärkten Wettbewerb unter den Städten, erlangt eine klar definierte Stadtidentität einen hohen Stellenwert. Im Idealfall wird diese Stadtidentität von der Stadtgesellschaft angenommen und weiter entworfen. Stadtbewohner treten nämlich nicht nur als „Nutzer“ der Stadt auf, sondern sie machen mit ihren Vorstellungen und Verständnis über ihre Stadt auch das Wesen ihrer Stadt aus. (vgl. Lübke, 2010, S. 28, 29)
Dresden | Ruhrgebiet |
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Welcher Organisationseinheit (Dezernat, Amt,…) im politisch-administrativen System der Gemeinde die Aufgabe der Stadtentwicklungsplanung zukommt, ist ebenso stadtabhängig wie der Umfang, in dem sie überhaupt praktiziert wird. Beide Aspekte werden eigenständig auf kommunaler Ebene entschieden, da sie unter die Organisations- und Planungshoheiten der kommunalen Selbstverwaltung gemäß Art. 28 Abs. 2 GG fallen. Die meisten Kommunen verzichten mittlerweile auf die allumfassende Planung kommunaler Entscheidungsprozesse. Grund hierfür sind die aus der Phase der Planungseuphorie (ca. 1965-1975) hervorgegangenen Erfahrungswerte, dass der „allumfassende Plan“ auf Dauer das politische Alltagshandeln und die einzelnen Fachressorts einer Verwaltung zu sehr einschränkt (vgl. Henckel u. a., 2010, S. 467). Daher begrenzen heute Kommunen ihre Stadtentwicklungsabsichten oftmals entweder räumlich, z. B. auf Stadtteilebene, oder thematisch z. B. auf die Erhaltung der gegenwärtigen Zentrenstruktur (ebd., S. 468).
Entwicklungserwartungen einer Stadt
Eine auf Vorausschau ausgerichtete Begriffsdeutung fasst unter Stadtentwicklung die Summe absehbarer Entwicklungstendenzen einer Stadt zusammen. Stadtentwicklung befasst sich in dem Sinne mit „Entwicklungserwartungen städtischer Systeme für die Zukunft, gleich ob planerisch beeinflusst oder nicht“ (Streich, 2011, S. 524). Ebenso wie das planerische Verständnis richtet sich das vorausschauende Verständnis an die Zukunft städtischer Entwicklungen – allerdings mit einem anderen Zweck. Wenn Stadtentwicklungsplanung die zukünftige Entwicklung gezielt zu steuern versucht, so verfolgt die vorausschauende Stadtentwicklung eher einen beobachtenden Ansatz. Wie Bernd Streich in der o. g. Formulierung bereits andeutet, schließen Entwicklungserwartungen nicht nur von Planung initiierte Entwicklungen ein. Vielmehr geht es um die Fragestellung, welchen Einfluss aktuelle Megatrends der Gesellschaft auf unsere Städte haben. Wie wirken sich bspw. der demografische Wandel, die Digitalisierung, der Klimawandel oder die Transformation zur Wissensökonomie perspektivisch auf unsere Städte aus?
Diese Begriffsdeutung von „Stadtentwicklung“ verwendet u. a. das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung des Bundes, das seine Aufgabe in der Beobachtung und Erkennung städtischer Entwicklungstendenzen sieht. (vgl. BBSR – Stadtentwicklung in Deutschland)
Stadtentwicklung als Leitvorstellung
Der Begriff Stadtentwicklung wird auch im Kontext normativer Leitvorstellungen verwendet. Diese Leitvorstellungen stellen einen generalisierenden Grundsatz für die städtische Entwicklung dar. Sie fungieren als eine Art allgemeiner Leitfaden für sämtliches Handeln im städtischen Kontext. Bekannte Beispiele hierfür sind die „Funktionale Stadtentwicklung“ und die „Nachhaltige Stadtentwicklung“. Die funktionale Stadtentwicklung ging aus der im Jahr 1933 stattgefundenen „Charta von Athen“ hervor. In ihrer Grundidee forderte diese Leitvorstellung die räumliche Trennung der vier städtischen Hauptfunktionen Wohnen, Arbeiten, Erholen und Verkehr. In der Gegenwart spielt jedoch die Leitvorstellung der nachhaltigen Stadtentwicklung eine ausschlaggebende Rolle. Für die städtebauliche Entwicklung ist sie gesetzlich in § 1 Abs. 5 BauGB verankert und fordert „[…] eine nachhaltige städtebauliche Entwicklung, die die sozialen, wirtschaftlichen und umweltschützenden Anforderungen auch in Verantwortung gegenüber künftigen Generationen miteinander in Einklang bringt […]“
Die Ursprünge des Nachhaltigkeitsprinzips reichen bis in das 16. Jahrhundert auf die nachhaltige Holzbewirtschaftung zurück (vgl. Reicher, 2012, S. 8). Das Prinzip griff die Weltkommission für Umwelt und Entwicklung im Jahr 1987 auf und konkretisierte im „Brundlandbericht“ nachhaltige Entwicklung als eine auf Generationengerechtigkeit ausgerichtete Entwicklung, die ökologische, soziale und ökonomische Belange in ihre Entscheidungsprozesse einbezieht (vgl. WCED, 1987). Nachhaltige Stadtentwicklung ist eine Ausprägung des Nachhaltigkeitsprinzips im Kontext der Stadtentwicklung (vgl. Henckel u. a., 2010, S. 343). In der konkreten Umsetzung kann die Leitvorstellung der nachhaltigen Stadtentwicklung folgende Aspekte umfassen.
Hinsichtlich der ökologischen Dimension geht nachhaltige Stadtentwicklung umweltschonend mit natürlichen Ressourcen um. Dies äußert sich bspw. in einem möglichst geringen Neubau von Siedlungs- und Vekehrsflächen sowie einem sparsamen Einsatz von Energie für wichtige städtische Funktionen wie das Verkehrssystem in etwa. Im Rahmen der ökologischen Dimension erlangen auch Klimaanpassung und Klimaschutz einen entscheidenden Stellenwert (Klimaschutzklausel § 1a Abs. 5 BauGB). So halten z. B. viele Grün- und Parkanlagen die Luft rein und verhindern Hitzeinseln im Stadtraum. (vgl. Reicher, 2012, S. 8 und vgl. Streich, 2011, S. 562)
In Bezug auf die soziale Dimension fördert nachhaltige Stadtentwicklung die Beteiligung der Stadtgesellschaft durch die Bereitstellung von Partizipationsmöglichkeiten für stadtrelevante Entscheidungsprozesse. Ebenso stellen ausreichend Bildungsmöglichkeiten, ein breites kulturelles Angebot sowie politische Stabilität die Weichen für eine Stadtgesellschaft, die sich in ihrer Stadt wohlfühlt. Eine solche Stadt bietet ihren Bürgern eine nachhaltig hohe Lebensqualität mit Entfaltungsmöglichkeiten für den Einzelnen. (ebd.)
Die ökonomische Dimension nachhaltiger Stadtentwicklung äußert sich u. a. in wirtschaftsfördernden Maßnahmen, die auf eine ausdifferenzierte und damit resiliente Wirtschaftsstruktur abzielen. Eine durch Branchenmix gekennzeichnete Stadtwirtschaft kann – im Falle einer Krise in einem Wirtschaftszweig – auf andere Wirtschaftszweige ausweichen. Andernfalls ist eine Stadt sofort in ihrer Existenzgrundlage bedroht, weil der gesamte Arbeitsmarkt sowie die kommunale Haushaltssituation (durch Steuereinnahmen) stark vom Erfolg eines Wirtschaftszweigs abhängen. (ebd.)
Ökologische Nachhaltigkeit | Soziale Nachhaltigkeit | Ökonomische Nachhaltigkeit |
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2. Akteure der Stadtentwicklung
Bereits im Jahre 1975 konstatierte der Hannoversche Stadtbaurat Rudolph Hillebrecht, die Komplexität des städtischen Akteursgefüges und beschrieb die Stadt als…
„[…] ein Gebilde, das nach Art und Anlage komplex ist. Bewußt oder unbewußt arbeiten an ihrer Form und Gestalt alle jene Kräfte mit, die der Stadtgesellschaft angehören.“ (Hillebrecht & Adrian, 1975, S. 158)
Die Palette reicht von Ämtern, Agenturen, Ausschüssen, Kammern als öffentliche Akteure bis hin zu privaten Handelnden wie etwa Banken, Investoren, Unternehmen sowie Verbänden, privaten Haushalten, Bürgerinitiativen und Vereinen. Sie alle wirken mit ihren Handlungen in oftmals anderen Sphären als der Stadtentwicklung sowie aus anderen Beweggründen als aus dieser heraus, trotzdem an der Stadtentwicklung mit. Zur Illustration, die Angebote der Wohnungsproduzenten beeinflussen Bürger, die in der Peripherie ihre Einfamilienhäuser bauen. Durch ihre Standortpräferenzen können die Bürger gesamtstädtische Entwicklungen (Suburbanisierung) herbeiführen, was sicherlich nicht das ursprüngliche Motiv ihres Wohnortwechsels war. Die Wirkung zahlreicher Akteure auf die räumliche Entwicklung ist dabei stets ortsbezogen und kann sich in sämtlichen Formen äußern. Im Folgenden sei Klaus Selle’s Einteilung städtischer Akteure in Politik/Verwaltung, Akteure des Marktes sowie die Bürgerschaft, angewandt. (vgl. Selle, Wachten, Berding, & Schmitt, 2011, S. 1-3)
Akteursgruppe öffentliche Akteure
In der Akteursgruppe der öffentlichen Akteure spielen insbesondere das kommunale Parlament (Stadtrat) und die kommunale Verwaltung eine einschlägige Rolle. Der Stadtrat ist der gewählte und damit demokratisch legitimierte Gesetztgeber auf der lokalen Ebene. Ihm obliegt die politische Willensbildung und Entscheidungsgewalt für den Entwicklungskurs der Stadt, z. B. in Bezug auf die kommunale Wohnungspolitik, Umweltpolitik, Beschäftigungs- und Wirtschaftsförderungspolitik und die Sozial- oder Kulturpolitik. Der Stadtrat entscheidet zudem im Rahmen der Flächennutzungs- und Bebauungsplanung über stadtplanerische Entwicklungen, die für die Stadtentwicklung aufgrund ihres räumlichen Bezugs von besonderer Bedeutung sind. Mit ihren zahlreichen Ämtern bereitet die kommunale Verwaltung als die ausführende Gewalt die Entscheidungen des Stadtrates vor, setzt diese Ratsbeschlüsse um und erfüllt zudem die weisungsgebundenen Pflichtaufgaben wie bspw. die Erteilung von Baugenehmigungen. (vgl. BBR 2000, S.17-25)
Akteursgruppe Marktakteure
Unter den Akteuren des Marktes verbergen sich Investoren, Bau-, Boden- und Immobilienunternehmen, Einzelhändler u.v.m., die zumeist aus Absichten der Gewinnmaximierung an der physischen und funktionalen Gestaltung einer Stadt mitwirken. Neben diesen „klassischen“ privatwirtschaftlichen Akteuren werden in der heutigen Stadtentwicklung durch die vielerorts knappen Kommunalhaushalte und dem sich verschärfenden Städte-Wettbewerb auch weitere Marktakteure bedeutend. Viele Städte gliedern ihre ehemals verwalterischen Einheiten wie z. B. ihre Wirtschaftsförderung oder die kommunale Ver- und Entsorgung aus und erhoffen sich durch diese Dienstleistungsunternehmen eine leistungsfähigere und effizientere Aufgabenerfüllung. (ebd.)
Akteursgruppe Bürgerschaft
Zum einen beeinflusst die Bürgerschaft mit ihrem Verkehrs-, Konsum-, Freizeitverhalten sowie mit ihrer Wohnstandortwahl die Stadtentwicklung unbewusst. Die Bürger generieren in ihrer Gesamtheit die Nachfrage nach bestimmten städtischen Nutzungen, die in der Folge ausgebaut werden. Weiterhin gestalten Bürger ihr soziales und kulturelles Leben z. B. durch eigenständig initiierte Kindertagesstätten, Tanzveranstaltungen oder Kunstvereine und prägen dadurch die städtische Gesellschaft. Zum anderen beteiligen sich Bürgerinitiativen v. a. bei städtebaulichen Projekten, bspw. gegen die Bebauung der anliegenden Flussaue, an städtischen Entwicklungen und initiieren dadurch die öffentliche Diskussion mit politisch-administrativen Organen. Überdies wählen Stadtbewohner den Stadtrat und nehmen in ihrer Mehrheit somit ebenfalls Einfluss auf den allgemeinen Kurs der städtischen Entwicklungen. (vgl. Selle u. a., 2011, S. 1)
3. Determinanten der Stadtentwicklung
Determinanten der Stadtentwicklung sind zentrale Einflussfaktoren, die den Entwicklungskurs einer Stadt beeinflussen. Neben den unveränderlichen topografischen und historischen Gegebenheiten lassen sich die stetig wandelnden Einflussfaktoren insbesondere in klimaschutzbedingte, gesellschaftliche, technologische, politisch-institutionelle, ökonomische sowie gesellschaftliche Gegebenheiten kategorisieren.
Klimawandel
Die globalen Folgen des Klimawandels wirken sich selbstverständlich auf der lokalen Ebene aus, was Klimaschutz- und Klimaanpassungsstrategien in der Stadtentwicklung erfordert. Aus der Klimaanpassung ergibt sich z. B. die Anforderung für städtische Abwassersysteme, große Niederschlagsmengen auffangen und risikoarm ableiten zu können. Auch der Klimaschutz setzt der Stadtentwicklung einen Rahmen, in dem er insbesondere die Reduktion von Treibhausgasen durch den motorisierten Individualverkehr, fordert. Mit der Förderung des Fuß-, Fahrrad- und öffentlichen Nahverkehrs kann dieser Anforderung Rechnung getragen werden. (vgl. Heinz u. a., 2013, S. 8,9)
Technologische Entwicklungen
Zudem beeinflussen in einem außerordentlichen Maße technologische Meilensteine die Stadtentwicklung, v. a. wenn sich durch den technologischen Fortschritt die Möglichkeiten der Raumüberwindung erweitern. Als Beispiel sei hierzu die serienreife Entwicklung des Pkw erwähnt, die in der BRD ab den 1960ern zur Massenmotorisierung führte und als einer der Hauptgründe für die Phase der Suburbanisierung zählt. Nur diese neue, technologisch bedingte Art der Raumüberwindung ermöglichte massenhafte Pendlerverflechtungen zwischen den räumlich getrennten Funktionen Arbeiten (Kernstadt) und Wohnen (Eigenheim in Peripherie).
Institutionelle und politische Einflussfaktoren
Institutionelle Rahmenbedingungen beeinflussen im Rechtsstaat die Organisation der Stadtentwicklung. Die Verteilung der Eigentumsrechte an Grundstücken sowie das Bau- und Planungsrecht regeln, welche Akteure der Stadtgesellschaft über Flächen auf welche Weise verfügen können. Die Kommunalpolitik bestimmt zudem über die Zuteilung kommunaler Finanz- und Personalressourcen, welche Projekte – z. B. Stadionbau oder Bau von Kunstmuseen – in der Stadtentwicklung Vorrang erhalten. In den letzten Jahren zeichnet sich durch die Privatisierung öffentlicher Aufgaben ein Verlust an Steuerungsmöglichkeiten seitens der öffentlichen Hand ab, die nun zunehmend mit privatwirtschaftlichen Akteuren und der Zivilgesellschaft kooperiert (vgl. Heinz u. a., 2013, S. 9).
Wirtschaftliche Einflussfaktoren
Ökonomische Wandel beeinflussen maßgeblich die Stadtentwicklung, da Städte die Motoren einer Volkswirtschaft sind. Eine sich wandelnde Wirtschaftsstruktur verändert ihre Ansprüche an ihre Gebäude, ihre Arbeitskräfte und die städtische Infrastruktur. Wenn die gesamtstädtische Entwicklung bspw. über die Wirtschaftsförderung, den Wandel der Wirtschaftsstruktur begleitet und unterstützt, kann die städtische Funktion Arbeiten erhalten werden. Einen solchen ökonomischen Wandel sind die Städte in hoch industrialisierten Ländern seit den 1960ern durchlaufen, als die Nachfrage nach Arbeitsplätzen im produzierenden Gewerbe deutlich gesunken ist (Deindustrialisierung) und sich stattdessen der Dienstleistungssektor entfaltete (vgl. Friedrichs & ARL, 2005, S. 1060). In der Gegenwart erfahren Städte der westlichen Welt einen neuen ökonomischen Wandel – die Transformation zur Wissensökonomie. Die Wissensökonomie erfordert eine auf Informationsaustausch ausgerichtete Stadt, die Raum für Bildung, Innovation, Forschung und Netzwerke zwischen städtischen Akteuren schafft.
Gesellschaftliche Einflussfaktoren
Sämtliche Veränderungen in der Gesellschaft schlagen sich in der Stadtentwicklung nieder. Der Lebensraum für weite Teile der Gesellschaft sind Städte und wenn sich gesellschaftliche Werte und dadurch Verhaltensweisen sowie Lebensentwürfe wandeln, so verändern sich die Ansprüche an den städtischen Lebensraum. Eine für die Stadtentwicklung essenzielle Komponente gesellschaftlichen Wandels stellen demografische Veränderungen dar. Die Alters- und Sozialstruktur einer Stadtbevölkerung bestimmt direkt die Nachfrage an Wohnungen, Arbeitsplätzen, Infrastruktur und Freizeiteinrichtungen in einer Stadt. Bleiben bspw. in einer Stadt aufgrund selektiver Mobilität vorwiegend ältere Menschen leben, so wird sich diese Stadt so entwickeln, dass sie den Ansprüchen der älter werdenden Stadtgesellschaft gerecht wird. Perspektivisch werden in der Stadt mehr Seniorenheime als Jugendhäuser zu finden sein, da die Nachfrage der Stadtgesellschaft das Angebot städtischer Nutzungen bestimmt. (vgl. Friedemann & Wiechers, 2005, S. 141)
4. Stadtentwicklung für Urban Digital
Als aktueller Megatrend der Gesellschaft wird die Digitalisierung unsere Städte in naher Zukunft tief greifend verändern. Diese Transformation zu verstehen und deren Potenziale für eine zielführende Stadtentwicklung zu erkennen, bilden das Erkenntnisinteresse von Urban Digital. Entsprechend deutet Urban Digital den Begriff Stadtentwicklung insbesondere als „Entwicklungserwartungen städtischer Systeme für die Zukunft, gleich ob planerisch beeinflusst oder nicht“ (Streich, 2011, S. 524).
Gewiss spielen die anderen Begriffsdeutungen von Stadtentwicklung in die inhaltliche Auseinandersetzung mit der Schnittmenge zwischen Stadtentwicklung und Digitalisierung hinein. Obgleich die vier unterschiedlichen Begriffsdeutungen in ihrem Kern eine spezifische Bedeutung haben, so lassen sie sich in der Praxis oftmals nicht eindeutig abgrenzen. So kann der Begriff z. B. bei der städtebaulichen Entwicklung eines Areals, die zu erwartenden demografischen Entwicklungen für die Kalkulation der Wohneinheiten (vorausschauende Begriffsdeutung) und gleichzeitig die bei der Flächenentwicklung verfolgte Leitvorstellung der nachhaltigen Stadtentwicklung benennen.
Diese Mehrdeutigkeit entspringt dem eingangs erwähnten umfassenden Erklärungsanspruch von Stadtentwicklung und wird auch in den Ausführungen von Urban Digital nicht zu vermeiden sein. Der primäre Fokus richtet sich jedoch auf Stadtentwicklung im Sinne von Entwicklungserwartungen.
Quellen
Für die Quellenangaben im Fließtext gilt: vor dem Satzpunkt beziehen sie sich auf den Satzinhalt, nach dem Satzpunkt beziehen sie sich auf den Inhalt des gesamten Absatzes.
- BBSR Homepage – Stadtentwicklung in Deutschland. (o. J.). Abgerufen 1. September 2017
- Blotevogel, H. (2001). Die Stadt als Fokus gesellschaftlicher Veränderung I: Suburbanisierung-Desurbanisierung-Reurbanisierung.
- Friedemann, J., & Wiechers, R. (Hrsg.). (2005). Städte für Menschen: Grundlagen und Visionen europäischer Stadtentwicklung. Frankfurt am Main: Fritz Knapp Verlag.
- Friedrichs, J., & Akademie für Raumforschung und Landesplanung (Hannover). (2005). Handwörterbuch der Raumordnung. Hannover: ARL.
- Heinz, W., Kröger, M., Morschheuser, P., Oediger, H.-L., Hermann-Lambert, S., Thielen, H., & Wölpert, R. (2013). Stadtentwicklungsplanung und Stadtentwicklungsmanagement – Strategien und Instrumente nachhaltiger Stadtentwicklung (Positionspapier des Deutschen Städtetages). Berlin, Köln: Deutscher Städtetag.
- Henckel, D., Besecke, A., & Schäfer, R. (Hrsg.). (2010). Planen-Bauen-Umwelt: ein Handbuch (1. Aufl). Wiesbaden: VS Verlag.
- Hillebrecht, R., & Adrian, H. (1975). Städtebau als Herausforderung: ausgewählte Schriften und Vorträge. Köln: W. Kohlhammer.
- Lenort, N. J. (1960). Strukturforschung und Gemeindeplanung. Köln: Springer.
- Lübke, I. (Hrsg.). (2010). Kooperative Stadtentwicklung durch kooperative Planung: Erfahrungen aus europäischen Stadtregionen. Berlin: Reimer.
- Reicher, C. (2012). Städtebauliches Entwerfen (1. Aufl). Wiesbaden: Vieweg + Teubner.
- Selle, K., Wachten, K., Berding, U., & Schmitt, G. (2011a). Was ist Stadtentwicklung? Lehrbausteine Stadt | Landschaft | Planung.
- Selle, K., Wachten, K., Berding, U., & Schmitt, G. (2011b). Wer entwickelt die Städte? Lehrbausteine Stadt | Landschaft | Planung.
- Streich, B. (2011). Stadtplanung in der Wissensgesellschaft: ein Handbuch (2. Aufl). Wiesbaden: VS, Verl. für Sozialwiss.
- Strubelt, W., Gatzweiler, H.-P., & Kaltenbrunner, R. (2000). Stadtentwicklung und Städtebau in Deutschland (No. Band 5). Bonn: Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung.
- WCED (Hrsg.). (1987). Our common future. Oxford ; New York: Oxford University Press.