Autorin: Dr. Jennifer Fest
City Apps auf Basis der Smart Village App sind mittlerweile in rund 50 Kommunen im Einsatz. Landkreise, Städte und Gemeinden nutzen Anwendungen, die auf sie zugeschnitten sind und trotzdem zum großen Pool der Open-Source-Entwicklergemeinschaft gehören. Doch hinter den Apps stehen Menschen – Projektmanager, Smart City-Beauftrage, CDOs und größere und kleinere Teams. Ihre Erfahrungen sind wertvoll für alle Kommunen, die ähnliche Projekte planen.
In unserer Interviewreihe sprechen wir mit den Verantwortlichen hinter den App-Projekten. Es geht um Prozesse, Erfolgsfaktoren, Erwartungen und falsche Vorstellungen – und um jede Menge Erfahrung!
1. Smarte Region Linz am Rhein

Die App der Region Linz ist noch jung. Welche Erwartungen hattet Ihr, als Ihr Euch für die Einführung einer App entschieden habt?
“Unsere Erwartung war, eine zentrale Lösung zu schaffen, welche die vielen Angebote, Services und Informationen, die bislang dezentral an verschiedenen Orten und nur teilweise digital in der Verbandsgemeinde Linz vorhanden waren, zu bündeln. Die App als zentrale Plattform soll den Alltag erleichtern, die Kommunikation zwischen Bürgerinnen und Bürgern sowie der Verwaltung verbessern und die regionale Gemeinschaft stärken.”
Welche Veränderungen konntet Ihr seit der Einführung der App feststellen?
“Viele der angebotenen Funktionen, die sich die Bürgerschaft im Vorfeld gewünscht hat, werden nun auch intensiv genutzt. Hierzu gehört beispielsweise der Abfallkalender, der Mängelmelder, aktuelle Nachrichten, ein Veranstaltungskalender und der Bereich für Vereine und Ehrenamt. Die App wurde seit ihrer Veröffentlichung bereits über tausend Mal heruntergeladen und der große Zuspruch der Bevölkerung zeigt uns, dass wir mit der Anwendung einen echten Mehrwert für die in der Region lebenden Menschen schaffen konnten.”
Welche Tipps würden Sie anderen Kommunen geben, die sich für eine App interessieren?
“Wir würden anderen Kommunen definitiv empfehlen, eine App einzuführen, da sie einen zentralen und direkten Kommunikationskanal schafft und den Zugang zu Informationen und Services erleichtert. Dabei sollte vorab geprüft werden, ob die Anwendung einen tatsächlichen Mehrwert bringt und ob bereits ähnliche Angebote vor Ort oder in direkter Umgebung existieren. Kommunen sollten zunächst die konkreten Ziele und Wünsche der Bürgerinnen und Bürger erfragen, um sicherzustellen, dass das digitale Tool wirklich auf deren Bedürfnisse zugeschnitten ist und die benötigten Funktionen mitbringt.
Ein weiterer Tipp ist, sich auch mit den technischen Anforderungen auseinanderzusetzen, die für die Anwendung erforderlich sind. Eine stabile technische Infrastruktur und die nahtlose Einbindung bestehender Systeme sind essenziell für eine zuverlässige Funktionalität. Die Entwicklung, Pflege und kontinuierliche Aktualisierung der Inhalte erfordern Zeit, Ressourcen und ein engagiertes Team. Nur mit einer klaren Planung und einer durchdachten Umsetzung kann eine App langfristig erfolgreich sein.”
2. Stadt Hagenow

Was hat den Ausschlag gegeben, dass sich Hagenow 2023 für die Einführung einer App entschieden hat?
“Hagenow ist eine der 73 geförderten Modellkommunen im Programm Smart City. Unter dem Titel HageNOW! – bürgerfreundlich digital stand von Anfang an die digitale Partizipation und Teilhabe an den demokratischen Prozessen im Fokus unserer Strategie. Eine City App bietet eine ideale Plattform für Transparenz, Teilhabe und bürgerschaftliches Engagement. Services wie ein Umfragemodul, eine Ehrenamtsbörse, ein Mängelmelder oder einfach nur ein Feedback-Button sind einfache, aber durchaus nutzenstiftende Anwendungen auf unserer App, die durch die Bürger genutzt werden. Im Übrigen verantwortungsvoll und als Ablassventil.”
Nach nun mehr als einem Jahr – welche Veränderungen sehen Sie in Hagenow durch die App?
“Die Bürger haben sich sehr schnell an die Möglichkeiten in der App gewöhnt. Ob Veranstaltungs- oder Ratssitzungskalender, die Termine für die Müllabfuhr, das wird alles gerne genutzt. Mit welchen Motiven sollen unsere Telefonkästen in der Innenstadt gestaltet werden? Wollen wir zukünftig ein Stadtgutscheinsystem einführen und zu welchen Konditionen? An dieser Stelle können wir jetzt unsere Bürger direkt befragen. Sie danken es uns mit ihrer Teilnahme. Sie fühlen sich mitgenommen in Entscheidungsprozessen. Hagenow ist durch die App ein Stück weit zusammengerückt.”
Was wären Ihre Tipps für andere Kommunen, die mit dem Gedanken spielen, eine App einzuführen?
“Wir haben gegenwärtig eine Marktdurchdringung von 15% und wollen 50% erreichen. Wichtig ist eine klare Zielgruppenbestimmung. Wir haben unsere App für die Bürger und nicht für die Touristen gebaut. Wir wollen diejenigen erreichen, die mit beiden Beinen im Leben stehen, die Alltagsmanager*innen. Für sie haben wir die „App für die Hosentasche” gebaut, mit dem Anspruch, darüber Hilfe in allen Lebenslagen anbieten zu können. Okay, vielleicht nicht in allen, aber wir arbeiten noch daran. Unsere Push-Nachrichten und unser Baustellen-Widget haben schon manchen Ärger abgewendet.”
3. Stadt Storkow (Mark)

Die Storkow-App ist erst vor wenigen Monaten an den Start gegangen. Was erhofft Ihr Euch durch die App für die Kommune?
“In erster Linie soll die App einfach Wissen teilen, die Kommunikation verbessern und Bürgernähe schaffen. Wir haben in Workshops zu anderen Themen immer wieder mitgeteilt bekommen, dass viele Bürger kaum etwas über die Angebote vor Ort wissen und auch unterschiedliche Akteure in den einzelnen Ortsteilen die Angebote untereinander kaum kennen. Diesen Umstand wollten wir gerne verändern und Menschen und Organisationen miteinander vernetzen. Jeder soll sich in der App wiederfinden und seine Ideen einbringen können. Hierfür sind das Umfrage-Tool und das Kontaktformular der App schöne Möglichkeiten jeden zu beteiligen. Bereits mit der Frage „Wie gefällt Ihnen die neue App?“ haben wir eine tolle Referenzmöglichkeit erhalten und da bringen uns selbstverständlich alle Hinweise etwas, auch wenn sie nicht „wohlwollend“ sind. So wissen wir, dass wir noch nicht alle Bedarfe bedacht haben und können dahingehend agieren. Gleichzeitig erhoffen wir uns durch die App, dass Verwaltungsleistungen einfacher zugänglich gemacht werden können. Die Angebote der Verwaltung sowie die entsprechenden Ansprechpartner sollen unkompliziert eingesehen, Termine vereinbart und wichtige Informationen und Hinweise niedrigschwellig vermittelt werden können.”
Gibt es einen besonderen Aspekt, der sich durch die App für Ihre Arbeit oder für die Bürgerinnen und Bürger schon spürbar verändert hat?
“Wir haben durch die App nun die Möglichkeit auch Veranstaltungen der einzelnen Ortsteile zu bewerben, ohne sie gleich in die Datenbank der TMB einspeisen zu müssen. Viele kleine Ortsteile benötigen gar nicht so weitgestreute Werbung, haben aber so die Chance die „Orte von Nebenan“ zu erreichen. Alles, was wir hierfür benötigen ist ein Bild und etwas Text und schon können es alle Storkower Bürger sehen. Auch das Fest „Weihnachten der Tiere“ des Tierheimes in Märkisch Buchholz konnten wir so einfach und unkompliziert bewerben, obwohl es außerhalb der Stadt stattfand. Außerdem scheint sich das Image der Stadt hierdurch zu verbessern, dies entnehmen wir den vielen positiven Rückmeldungen seit dem Start der App. Die Bürger scheinen es toll zu finden, dass Storkow eine eigene App hat, die alle Angebote bündelt. Mit 789 Downloads (Stand 22.11.2024) bei 9.491 Einwohnern (Stand 31.12.2023) haben wir somit immerhin bereits über 8% der Einwohner erreicht. Sicher ist das noch ausbaufähig, aber es zeigt sich hierdurch, dass die App eindeutig einen Mehrwert für die Bürger und für die kommunale Arbeit darstellt.”
Was würdet Ihr anderen Kommunen raten, die die ersten Schritte in Richtung einer eigenen App machen möchten?
“Am wichtigsten ist es wohl im Vorfeld zu wissen, was man mit der App erreichen möchte, also welche Ziele erfüllt werden sollen. Der eindeutige Vorteil der Smart Village App liegt darin, dass hier mit Kommunen gemeinsam die weiteren Entwicklungen geplant und somit neue Tools explizit für den Bedarf der Verwaltungen hergestellt werden. Nach dem Prinzip „Einer für Alle“ können so viele Ideen und Hinweise berücksichtigt, die Finanzierung auf mehreren Schultern verteilt und die App bedarfsorientiert immer weiter ausgebaut werden. So können auch Rückmeldungen der Bürger direkt bei der Entwicklung neuer Inhalte mit bedacht werden.
Für die Bearbeitung der Smart Village App sollte auf jeden Fall ausreichend Zeit für die Organisation der Publisher-Accounts für die App-Marktplätze von Google (Google Play Console) und Apple (Apple Developer) geplant werden. Dies erscheint auf den ersten Blick sehr einfach, zeigt jedoch nach und nach ein paar Tücken für die Bestätigung als Organisation auf. Des weiteren sollte jemand im Hause für die grafische Erstellung von Icons geschult sein oder diese müssen extern in Auftrag gegeben werden, wenn man nicht auf Standard-Icons zurückgreifen möchte. Wichtig ist auch einen zentralen Ansprechpartner für alles „rund um die App“ zu benennen, welcher im Umgang mit dem CMS geschult wird, sich grob mit den Datenbanken der Verwaltung auskennt und welcher das Wissen um die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit sowie deren Prozesse innehat.”
4. Gemeinde Rüdersdorf bei Berlin

Rüdersdorf bei Berlin hat schon sehr früh auf eine eigene App gesetzt, gestartet ist sie im April 2022. Wieso habt Ihr Euch damals für eine App entschieden?
“Seit Ende 2020 haben wir in der Verwaltung eine Vielzahl von Digitalisierungsprozessen vorangetrieben und auch unsere Öffentlichkeitsarbeit auf neue Füße gestellt. Dabei war die App ein perfekter Baustein, um die Menschen in unserer Gemeinde schnell und effektiv mit allen wichtigen Informationen zu versorgen.”
In der digitalen Welt sind knapp 3 Jahre schon eine lange Zeit. Wie sorgt Ihr dafür, dass die App weiterhin für die Menschen in Rüdersdorf bei Berlin attraktiv und wichtig bleibt?
“Wir werden nicht müde, über unsere App zu erzählen – auf jedem Briefumschlag, der aus der Gemeinde rausgeht, wird ebenfalls für die App geworben. Gleichzeitig entwickeln wir die App stetig weiter: Aktuell implementieren wir eine Ehrenamtsplattform in die App – ein eigenes soziales Netzwerk für das Ehrenamt in unserer Gemeinde. Auch den Abfallkalender haben wir zu Beginn des Jahres 2025 deutlich umfangreicher gestaltet.”
Was würdet Ihr anderen Kommunen raten, um mit ihren Apps auch so lange erfolgreich zu sein?
“Redet mit den Menschen über die App und begeistert sie, diese auch zu nutzen. Überlegt gleichzeitig, am besten zusammen mit den Nutzenden, wie ihr die App weiter optimieren könnt.”
5. Stadt Detmold

Die Appmold gibt es mittlerweile seit vielen Jahren, im vergangenen Jahr hat sie nochmal eine Modernisierung bekommen. Inzwischen verantworten Sie das Projekt. Was überzeugt Sie persönlich an der App?
“Was mich an der Appmold besonders überzeugt, ist ihr konsequenter Ansatz, unsere städtischen Angebote und Leistungen gebündelt und bürgerorientiert anzubieten. Die App verkörpert unser Verständnis von Digitalisierung in Detmold: Nicht die Technologie steht im Mittelpunkt, sondern der Mensch, der sie nutzt. Die Modernisierung der Appmold, die wir Anfang 2024 abgeschlossen haben, war ein wichtiger Schritt, um diesen Gedanken weiterzuführen und die App zum zentralen Anlaufpunkt – einem ‘Cockpit für unsere Stadtgesellschaft’ zu entwickeln.
Besonders begeistert mich der Open-Source-Ansatz, den wir konsequent verfolgen. Die Appmold basiert auf einer Technologie, deren Quellcode öffentlich einsehbar ist und von anderen Kommunen für eigene Entwicklungen kostenlos genutzt werden kann. Dieser nachhaltige und transparente Umgang mit digitalen Lösungen entspricht unserem Selbstverständnis als Stadt, die den digitalen Wandel aktiv, sozial, ökonomisch und ökologisch nachhaltig gestalten will. Zudem schätze ich den kollaborativen Charakter der App. Als Kooperationsprojekt zwischen den Stadtwerken Detmold und dem Team Digitalisierung der Stadt verbindet sie verschiedene Kompetenzen und schafft Synergien. Das modulare Baukastensystem ermöglicht es uns zudem, flexibel auf neue Anforderungen zu reagieren und kontinuierlich neue Funktionen für unsere Bürgerinnen und Bürger zu entwickeln.”
Was ist aus Ihrer Sicht der größte Mehrwert der App für die Bürgerinnen und Bürger in Detmold?
“Der größte Mehrwert der Appmold liegt in der Vereinfachung des Alltags unserer Bürgerinnen und Bürger. Sie bringt städtische Dienstleistungen, Informationen und Angebote direkt auf das Smartphone – jederzeit und überall verfügbar. In unserem hektischen Alltag ist es wertvoll, wenn man einen einfachen Zugang zu allen relevanten Stadtinformationen an einem Ort hat.
Die Vielfalt der Funktionen macht die Appmold zu einem digitalen Stadtbegleiter: Vom Veranstaltungskalender über den Abfuhrkalender bis hin zu ÖPNV-Verbindungen oder dem Mängelmelder – die Nutzerin oder der Nutzer entscheidet selbst, welche Module für sie oder ihn relevant sind. Diese Individualisierbarkeit ist ein entscheidender Vorteil. Besonders wichtig ist mir, dass die App einen Beitrag zum sozialen Zusammenhalt in unserer Stadt leistet. Durch Module wie den Veranstaltungskalender oder die Einbindung des DorfFunks – unseres digitalen Marktplatzes – fördert sie die Teilhabe am städtischen Leben und stärkt die Identifikation mit unserer Stadt. So unterstützt die Appmold unser oberstes Ziel: die hohe Lebensqualität in Detmold zu bewahren, den sozialen Zusammenhalt zu sichern und gleichzeitig unsere Ressourcen zu schonen.”
Was würden Sie anderen Kommunen raten, die eine bestehende App modernisieren oder neu aufsetzen wollen?
“Mein wichtigster Rat an andere Kommunen wäre, die Digitalisierung nicht als technisches, sondern als gesellschaftliches Projekt zu verstehen. Eine Stadt-App sollte kein Selbstzweck sein, sondern konsequent an den Bedürfnissen der Bürgerinnen und Bürger ausgerichtet werden.
Praktisch bedeutet das: Setzen Sie auf Partizipation! Beziehen Sie Ihre Bürgerinnen und Bürger frühzeitig in den Entwicklungsprozess ein. In Detmold haben wir gute Erfahrungen mit umfassenden Beteiligungsformaten gemacht, bei denen Stadtgesellschaft, Wissenschaft, Wirtschaft, Politik und Verwaltung gemeinsam an digitalen Lösungen arbeiten.
Ich empfehle außerdem auf Open-Source-Technologien und interkommunale Zusammenarbeit zu setzen. Durch die gemeinsame Entwicklung von Modulen mit anderen Kommunen lassen sich nicht nur Kosten sparen, sondern auch bessere Lösungen schaffen. Dieses kollaborative Prinzip hat sich bei der Appmold bewährt und entspricht unserem Verständnis einer nachhaltigen und wirtschaftlichen Digitalisierung.
Nicht zuletzt: Denken Sie die App als Teil einer umfassenden digitalen Strategie. Eine isolierte App-Lösung wird kaum nachhaltige Wirkung entfalten. In Detmold ist die Appmold ein wichtiger Baustein unseres Smart City-Konzepts, das wiederum eng mit unserer Nachhaltigkeitsstrategie verknüpft ist. Diese strategische Einbettung sichert langfristig den Erfolg und die Akzeptanz digitaler Angebote.”
Alle Interviews – aktuelle wie zukünftige – werden auf Social Media und unter https://smart-village.app/3-fragen-an/ veröffentlicht.
Sie haben noch andere Fragen? Sprechen Sie uns an!