Gastartikel: Thomas Gudera und Christian Martens (Tegel Projekt GmbH)
Unbemannte Luftfahrzeuge – umgangssprachlich auch ‚Drohnen‘ genannt – halten immer stärker Einzug in Forschung, Industrie und das tägliche Leben. Sie bieten oft vollkommen neue Möglichkeit, Fernerkundungsdaten in sehr hoher Qualität zeitlich und räumlich flexibel zu erheben. Die am Markt verfügbaren Systeme werden immer leistungsfähiger, benutzerfreundlicher und kostengünstiger, so dass in der Folge drohnengestützte Technologien, Anwendungen und Analysen häufiger nachgefragt und in der Praxis angewandt werden. So sind Drohnen beim Planen, Bauen und Betreiben von Immobilien längst keine Ausnahme mehr. Vielmehr gewinnt ihre Technologie bei der Digitalisierung im gesamten Gebäudelebenszyklus mehr und mehr an Bedeutung.
Vom Flughafen Tegel zum innovativen Modellstandort
So auch bei einem der größten Stadtentwicklungsprojekte Europas: der Konversion des ehemaligen Flughafens Berlin-Tegel zu einem Experimentierfeld der Stadt der morgen. Auf dem 500 Hektar großen Areal entstehen in den nächsten Jahren ein Forschungs- und Industriepark für urbane Technologien: Berlin TXL – The Urban Tech Republic und ein smartes sowie sozial-ökologisches Wohnviertel: das Schumacher Quartier; zudem ein neues Landschafts- und Naturschutzgebiet: die Tegeler Stadtheide. Mit der Entwicklung und dem Management der Urban Tech Republic und des Schumacher Quartiers ist im Auftrag das Landes Berlin die Tegel Projekt GmbH betraut. Die Übernahme des einstigen Airport-Geländes fand im August 2021 statt.

Drohnen als leistungsstarke Arbeitswerkzeuge
Unser 67-köpfiges Team der Tegel Projekt GmbH befasst sich unter anderem mit den Planungen für den Hochbau sowie die technische, energetische und verkehrliche Infrastruktur, mit der Steuerung der baulichen Umsetzung und mit dem Betrieb der bestehenden und neuen Gebäude und Anlagen.
Diese Aufgaben und Prozesse sollen von Beginn an durch Drohnentechnologie, hochauflösende Fotos sowie Laser-Scanning unterstützt werden. Vor allem die schnelle, genaue und vergleichsweise kostengünstige Erhebung von räumlichen Daten steht im Mittelpunkt des Interesses. Darüber hinaus wollen wir die so gewonnenen Daten umfassend für die oben genannten Zwecke auswerten. Neben der klassischen Photogrammetrie möchten wir moderne Methoden – wie zum Beispiel der Einsatz von künstlicher Intelligenz in diesem Kontext – mit verschiedenen Stakeholdern und Partnern testen, anwenden und durch Learnings auch die technologische Weiterentwicklung unterstützen.
Use Cases: schnell zu präzisen Daten für Dokumentation,
Planung und Inspektion
Unser Standard-Anwendungsfall ist die wöchentliche Befliegung des Gesamtareals. Aus den hieraus gewonnenen Daten errechnen wir mittels Photogrammetrie eine Punktewolke, auf deren Basis wir digitale Gelände- und Höhenmodelle sowie Orthofotos erstellen. Hierdurch haben wir die Möglichkeit, detaillierte Luftaufnahmen des äußerst weiträumigen, nämlich fünf Quadratkilometer großen Areals in kurzer Zeit und mit vergleichsweise wenig Aufwand zu erstellen. Die traditionelle Landvermessung würde für ein ähnliches Ergebnis Tage benötigen.
Einen eigenen Use Case stellt die Dokumentation der aktuell stattfindenden Kampfmittelräumung in drei prioritären Bereichen des Projektareals dar, bei der wir mit ca. 340.000 Kubikmetern Erdaushub rechnen. Dank der regelmäßigen Drohnenbefliegungen gelingt es, schnell und regelmäßig Aussagen über die bewegten Erdmassen treffen zu können. Mit 3D-Drohnen-Datenerfassungen können beispielsweise die Abtrags- und Auftragsvolumina weitaus sicherer und wirtschaftlicher dokumentiert werden als mit herkömmlichen Methoden.
Die gewonnenen Daten unterstützen zudem die Landschaftsplanung im Bereich der Tegeler Stadtheide – einem wesentlichen Bestandteil der Projektentwicklung. Hier können wir aus den Daten Isohypsen mit einem beliebigen beziehungsweise erforderlichen Abstand generieren, um so für die Planung umfassende Erkenntnisse zu gewinnen.
Im Rahmen der Umbauplanungen und des späteren Betriebes der Gebäude werden von uns Drohnen außerdem genutzt, um zeitsparend und vergleichsweise günstig Inspektion von schwer erreichbaren Orten vorzunehmen, die bislang den Einsatz von Gerüsten, Seilen, Hebebühnen und speziell geschultem Personal voraussetzten. Die vorhandene Technik erlaubt zudem anhand der thermischen Eigenschaften den Zustand von Materialien zu erfassen. Eventuell vorhandene thermische Brücken, Feuchtigkeit und andere für Planung, Bau und Betrieb von Gebäuden wichtige Sachverhalte lassen sich so zeitsparend feststellen und im Anschluss geeignete Maßnahmen daraus ableiten.
Mit Hilfe regelmäßig erhobener Daten sind wir in der Lage, den Projektfortschritt als Ganzes aufzuzeichnen und zu visualisieren. Standardisierte Flugrouten und die hohe Genauigkeit der RTK-Technologie ermöglichen uns, das Areal nahezu identisch aufzunehmen und umfassende Vorher-Nachher-Vergleiche anzustellen.

Vielfältige Anwendungs- und Entwicklungspotenziale
Wir stehen in engem Austausch mit zahlreichen Stakeholdern und Partnern – nicht nur, um ihnen hochauflösende 3D-Modelle für Planung, Bau oder Vertrieb zur Verfügung zu stellen, sondern auch, um die vorhandenen technischen Potenziale in weitere Anwendungen und neue Einsatzfelder zu überführen.
So gibt es bereits erste Überlegungen, wie die Drohnen-Daten genutzt werden können, um den Zustand des Perimeterschutzes rund um das Projektareal zu bestimmen. Mithilfe künstlicher Intelligenz könnten beispielsweise Beschädigungen automatisch festgestellt und schnell behoben oder auch Beschädigungsmuster zuverlässig erkannt werden. Hieraus lassen sich dann Maßnahmen, etwa die Anpassung von Bauart oder Materialität, ableiten. Eine weitere Idee ist die Überwachung und Dienstleistersteuerung im Bereich des Facility Managements, zum Beispiel die Dokumentation von Grünflächenpflege oder Winterdienst.

Und auch bei der Konservierung des in großen Teilen denkmalgeschützten Flughafens für die Nachwelt hat uns die Drohnentechnologie bereits unterstützt: Das Gelände und die Außenhüllen der Gebäude wurden vor Beginn der nun anstehenden umfassenden Veränderungen des Gebiets digital dokumentiert und archiviert.
Zahlreiche weitere Einsatzfelder und Verwertungs-Optionen stehen in Aussicht. So wird Berlin TXL nicht erst mit seiner Fertigstellung für Innovation, Technologie und Digitalisierung stehen. Bereits der Weg dorthin verspricht großartige Möglichkeiten, die Potenziale der Drohnentechnologie umfassend anwendungsorientiert auszutesten und wertvolle Erfahrungen für Planung, Entwicklung und Betrieb auch großer urbaner Standorte zu sammeln.

Beschreibung
Aufbauend auf diesem Artikel haben wir am 16. März mit Thomas Gudera einen Online-Austausch über Drohnen-gestützte Use Cases in der Raumentwicklung veranstaltet. Eine Aufzeichnung des Vortrages können Sie hier abrufen.