Montag, 12. Mai 2025
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StartDigitaler Zwilling der StadtDigitale Urbane Zwillinge Teil 1: Die Grundlagen

Digitale Urbane Zwillinge Teil 1: Die Grundlagen

Titelbild: © kit8
Autor: Mario Hupka


Digitale Zwillinge sind virtuelle Abbilder physischer Systeme, die durch Sensornetzwerke und andere Datenquellen kontinuierlich mit Echtzeitinformationen versorgt werden. Diese Technologie ermöglicht es, komplexe Prozesse zu modellieren, zu simulieren und zu optimieren – mit Anwendung in Industrie, Mobilität, Smart Cities und Umweltmanagement.

Dieser Beitrag untersucht in Teil 1 Definition, technische Umsetzung und Abgrenzung digitaler Zwillinge sowie deren Zusammenspiel mit Sensorsystemen. Besonderes Augenmerk gilt den Urban Digital Twins, die zunehmend in der Stadtplanung und Entwicklung smarter Städte eine Rolle spielen.

Im zweiten Teil wird dann der Einsatz immersiver Technologien wie Virtual Reality (VR) und Augmented Reality (AR) beleuchtet, die Visualisierung und Bürgerbeteiligung auf eine neue Ebene heben. Ergänzend werden nationale Forschungsprojekte vorgestellt, die sich mit praktischen Anwendungen digitaler Zwillinge beschäftigen. Herausforderungen wie Datenintegration, Interoperabilität und Datenschutz werden ebenso adressiert wie zukünftige Potenziale durch Künstliche Intelligenz (KI) und offene, standardisierte Datenplattformen. Die Ergebnisse zeigen: Digitale Zwillinge sind essenziell für resiliente, nachhaltige urbane Entwicklungen, erfordern jedoch gezielte Investitionen, Zusammenarbeit und klare regulatorische Rahmenbedingungen.

1. Einleitung

Digitale Zwillinge sind ein Schlüsselelement der digitalen Transformation. Als dynamische Repräsentationen realer Systeme ermöglichen sie Simulationen, Analysen und Optimierungen – in Echtzeit. Ihr Einsatz reicht von Industrie 4.0 über Bauwesen bis hin zu urbanen Entwicklungen.

Insbesondere urbane digitale Zwillinge (Urban Digital Twins) gewinnen an Bedeutung. Sie bilden Städte in Echtzeit ab, erlauben datenbasierte Entscheidungen und machen Stadtplanung erlebbar – etwa durch Integration von VR- und AR-Technologien. Dadurch wird die Beteiligung von Bürger:innen an Entwicklungsprozessen erleichtert und eine transparente Entscheidungsfindung gefördert.

Ziel dieses Papiers ist es, ein fundiertes Verständnis für digitale Zwillinge im urbanen Kontext zu vermitteln, technische Grundlagen und Anwendungsfelder zu erläutern und aktuelle Forschung sowie Herausforderungen zu präsentieren. Auch ein Ausblick auf künftige Entwicklungen wird gegeben.

2. Definitionen

Digitale Zwillinge

Digitale Zwillinge sind nach VanDerHorn und Mahadevan virtuelle Abbilder physischer Systeme, die kontinuierlich mit Echtzeitdaten synchronisiert werden [8; 9]. Sie bestehen aus drei Elementen: physischer Realität, virtueller Repräsentation und Interaktion zwischen beiden. Während manche Definitionen bidirektionale Kommunikation fordern, schließen andere auch unidirektionale Systeme mit ein.

Sensorsysteme

Sensoren sind zentrale Bausteine digitaler Zwillinge. Drahtlose Sensorsysteme ermöglichen die Erfassung physikalischer, chemischer oder optischer Umgebungsdaten (z. B. Temperatur, Luftqualität, Infrarotbilder) [6; 7]. Aktoren wiederum können auf diese Daten reagieren – etwa durch Steuerung von Geräten wie Pumpen oder Klimaanlagen. Sensoren und Aktoren agieren oft im Tandem, um dynamisch auf Umweltbedingungen zu reagieren.

3. Abgrenzungen

Digitales Modell vs. Digitaler Zwilling

Ein digitales Modell ist eine statische Repräsentation, z. B. ein 3D-Modell eines Gebäudes, ohne kontinuierliche Datenaktualisierung. Wird es zur Simulation genutzt, spricht man von Simulationsmodellierung – etwa bei der Vorhersage von Hochwasserrisiken in Stadtteilen.

Digitaler Schatten

Ein digitaler Schatten ist eine Vorstufe des digitalen Zwillings. Er basiert auf einem unidirektionalen Datenfluss: Daten fließen vom realen Objekt ins Modell, jedoch ohne Rückkopplung. Dadurch eignet er sich für Visualisierungen und simulationsgestützte Analysen, nicht jedoch für Interaktionen mit dem physischen System.

Verbindung zu Sensorsystemen

Digitale Zwillinge benötigen kontinuierlichen Datenaustausch mit ihrer physischen Umgebung. Sensorsysteme liefern diese Daten in Echtzeit. Die Sensorknoten funktionieren dabei wie Nervenenden – sie „spüren“ Veränderungen im realen System und übertragen diese an das digitale Abbild [3].

Dieser Prozess, „Synchronisation“ genannt, bildet die Grundlage für Echtzeitsimulationen, prädiktive Wartung und datenbasierte Optimierung [4]. Im urbanen Kontext können digitale Zwillinge Geodaten, Verkehr, Luftqualität und Infrastruktur dynamisch abbilden – als sogenannte Urban Digital Twins.

4. Anwendungsfelder

Smart Cities

Digitale Zwillinge vernetzen urbane Systeme über IoT-Technologien. Sie analysieren und simulieren Prozesse, steuern Verkehrsflüsse, reduzieren Energieverbrauch und optimieren Notfalleinsätze [9]. Ein Beispiel ist Singapur, das seinen digitalen Zwilling zur Steuerung von Social-Distancing-Maßnahmen während der COVID-19-Pandemie nutzte [9].

Bauwesen

Im Bauwesen erweitern digitale Zwillinge klassische BIM-Ansätze. Sie integrieren Echtzeitdaten zu Energieeffizienz, Materialzustand und Wartungszyklen [2]. SHM-Systeme überwachen etwa Brücken auf Basis von Verkehrsdaten, Wetterinformationen und strukturellen Belastungen – und ermöglichen frühzeitige Wartung.

Mobilität

In der Verkehrssteuerung ermöglichen digitale Zwillinge dynamische Ampelschaltungen, intelligente Routenplanung und verbesserte Koordination im ÖPNV [1]. Sie unterstützen Flottenmanagement, autonomes Fahren und adaptives Tempomanagement durch Fahrzeug-zu-Cloud-Kommunikation [3].

5. Urbaner Digitaler Zwilling

Der Urban Digital Twin (UDZ) ist eine spezialisierte Form des digitalen Zwillings für Städte [10]. Er nutzt vorhandene Datenquellen zur Generierung neuer Erkenntnisse und unterstützt Entscheidungsfindung in Planung, Verwaltung und Bürgerpartizipation.

Schubbe betont Modularität als zentrales Prinzip [11]. Modular aufgebaute UDZ ermöglichen flexible Erweiterbarkeit und Wiederverwendbarkeit. Dies wird durch eine mehrschichtige Architektur realisiert.

Architektur des UDZ

Nach White umfasst der UDZ sechs aufeinander aufbauende Schichten [12; 13]:

  • Schicht 0: Terrain – Gelände, Höhenprofile, Gewässer
  • Schicht 1: Gebäude – digitale Gebäudeinformationen (z. B. BIM)
  • Schicht 2: Infrastruktur – Straßen, Stromnetz, Telekommunikation
  • Schicht 3: Mobilität – Verkehrsströme, Bewegungsdaten
  • Schicht 4: Smart-City-Komponenten – Daten aus IoT-Geräten, Bürgerfeedback
  • Schicht 5: Integrationsebene – Verknüpfung und Rückkopplung zwischen Schichten

Diese Struktur erlaubt ein modulares, datengestütztes Stadtmodell, das kontinuierlich aktualisiert und erweitert werden kann.

Digitale Zwillinge in Smart Cities

Digitale Zwillinge sind interaktive Weiterentwicklungen von 3D-Stadtmodellen. Sie bilden nicht nur Gebäude und Infrastruktur ab, sondern auch soziale und ökologische Dynamiken – wie Verkehr, Emissionen, Energieverbrauch und öffentliche Sicherheit.

„Was-wäre-wenn“-Szenarien können simuliert werden:

  • Welche Wirkung hätte Tempo 30 in der Innenstadt?
  • Wo drohen Überflutungen bei Starkregen?
  • Wie beeinflusst Begrünung das Mikroklima?
  • Welche dunklen Orte erfordern bessere Beleuchtung?

Solche Szenarien fördern datenbasierte Entscheidungen, transparente Kommunikation und gezielte Bürgerbeteiligung. Über 30 der 73 deutschen Modellprojekte Smart Cities beschäftigen sich mit digitalen Zwillingen. Einige Städte gelten bereits als Vorreiter [14].

6. Fazit

Digitale Zwillinge – insbesondere in urbanen Kontexten – sind keine Zukunftsvision mehr, sondern zunehmend Realität. Sie ermöglichen datenbasierte, adaptive und partizipative Stadtentwicklung. Für eine breite Umsetzung bedarf es jedoch technischer Standards, offener Datenplattformen, interdisziplinärer Zusammenarbeit und politischer Unterstützung. Welche Rolle immersive Medien innerhalb digitaler Zwillinge einnehmen und warum diese das gesamte Konzept auf eine neue Ebene heben, das erfahren Sie in Teil 2!

Literaturverzeichnis

[1] Ali, W.A., Fanti, M.P., Roccotelli, M., & Ranieri, L. (2023). A Review of Digital Twin Technology for Electric and Autonomous Vehicles. Applied Sciences, 13(5871). DOI: 10.3390/app13105871

[2] Attaran, M., & Celik, B.G. (2023). Digital Twin: Benefits, Use Cases, Challenges, and Opportunities. Decision Analytics Journal, 6(100165). DOI: 10.1016/j.dajour.2023.100165

[3] Vaezi, M., Noroozi, K., Todd, T.D., Zhao, D., Karakostas, G., Wu, H., & Shen, X. (2022). Digital Twins From a Networking Perspective. IEEE Internet of Things Journal, 9(23), 23525–23539. DOI: 10.1109/JIOT.2022.3200327

[4] Eigner, M. (2020). Digitaler Zwilling – Stand der Technik. ZWF Zeitschrift für Wirtschaftlichen Fabrikbetrieb, 2020. DOI: 10.3139/104.112300

[5] Smarsly, K., Dragos, K., & Kölzer, T. (2023). Sensorintegrierte digitale Zwillinge für das automatisierte Monitoring von Infrastrukturbauwerken. Technische Universität Hamburg

[6] Bharathidasan, A., & Ponduru, V.A.S. (2023). Sensor Networks: An Overview. University of California, Davis

[7] Chong, C.Y., & Kumar, S.P. (2003). Sensor Networks: Evolution, Opportunities, and Challenges. Proceedings of the IEEE, 91(8), 1247–1256. DOI: 10.1109/JPROC.2003.814918

[8] VanDerHorn, E., & Mahadevan, S. (2021). Digital Twin: Generalization, Characterization, and Implementation. Decision Support Systems, 145(113524). DOI: 10.1016/j.dss.2021.113524

[9] Bado, M.F., Tonelli, D., Poli, F., Zonta, D., & Casas, J.R. (2022). Digital Twin for Civil Engineering Systems: An Exploratory Review for Distributed Sensing Updating. Sensors, 22(3168). DOI: 10.3390/s22093168

[10] Lei, B. J. (2023). Challenges of urban digital twins: A systematic review and a Delphi expert survey. In Automation in Construction (Bd. 147, S. 104716).

[11] Schubbe, N. B. (2023). Urbane Digitale Zwillinge als Baukastensystem: Ein Konzept aus dem Projekt Connected Urban Twins (CUT).

[12] White, G. &. (2021). A digital twin smart city for citizen feedback.

[13] Schrotter, G. &. (2020). The Digital Twin of the City of Zurich for Urban Planning. PFG – Journal Of Photogrammetry Remote Sensing And Geoinformation Science, 88(1). 99–112.

[14] Was-Wäre-Wenn? – Mit digitalen Zwillingen die urbane Zukunft gestalten | Smart City Dialog. (2024). https://www.smart-city-dialog.de/informieren/aktuelles/was-waere-wenn-mit-digitalen-zwillingen-die-urbane-zukunft-gestalten.

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