Autoren: Julian Folgner und Michael Deppe
Extreme Wetterereignisse nehmen kontinuierlich zu und stellen Städte und Gemeinden vor immer größere Herausforderungen. Insbesondere Hochwasser kann immense Schäden verursachen, bedroht die Sicherheit der Bevölkerung und erfordert hohe finanzielle Aufwendungen. Smarte, datenbasierte Lösungen können diese Risiken minimieren und unterstützen, proaktiv zu handeln.
Das IoT-Team der ENERVIE Service hat in Zusammenarbeit mit dem SELH (Stadtentwässerungsbetrieb Lüdenscheid Herscheid) genau zu diesem Zweck ein intelligentes Hochwassermonitoring entwickelt. Es basiert auf IoT-Sensorik in Kombination mit einer vorhandenen, flächendeckenden LoRa-Infrastruktur. Ziel war es bei der Entwicklung dieser Lösung, Gefahren frühzeitig zu erkennen, präventive Maßnahmen einzuleiten und die Bürgerinnen und Bürger effektiv zu schützen.
Dieses System ist ein Gamechanger für unser Katastrophenmanagement. Wir verlassen uns nicht mehr nur auf Schätzungen, sondern haben datenbasierte Entscheidungsfindung in nahezu Echtzeit.
Michael Deppe, Technische Betriebsleitung SELH
Das Hochwassermonitoring nutzt an neuralgischen Punkten verschiedener Flüsse flächendeckend verteilte Pegelsensoren. Sie erfassen kontinuierlich und in nahezu Echtzeit die Wasserstände. Ergänzend dazu wurden Niederschlagsmessungen eingesetzt, um somit den Zusammenhang zwischen der Intensität bzw. Menge des Niederschlags und dem jeweiligen Anstieg der Flusspegel präzise nachzuvollziehen. Die gesammelten Daten führt ENERVIE Service zentral auf einer IoT-Plattform zusammen. Sie werden hier aggregiert, aufbereitet sowie anschließend visuell über Zeitreihen auf einem Dashboard der SELH dargestellt. Es liefert jederzeit einen umfassenden Überblick über die aktuelle Situation. Verantwortliche in Krisensituationen – wie beispielsweise Feuerwehren – können somit anhand der Daten unmittelbar auf Veränderungen reagieren.
1. Smarte Sensorik auf Basis von LoRaWAN
Ein zentraler Bestandteil des smarten Hochwassermonitorings ist die Nutzung der LoRaWAN-Technologie. LoRaWAN zeichnet sich insbesondere durch zwei Eigenschaften aus, die es für stadtweite Sensornetzwerke ideal macht: Die große Reichweite bei gleichzeitig minimalem Energieverbrauch. Die LoRaWAN-Technologie ermöglicht eine kostengünstige und teilweise batteriebetriebene Installation von zahlreichen Sensoren im gesamten Stadtgebiet. Die Sensoren können dabei autark gestaltet sein, um auch in abgelegenen Gebieten zu funktionieren, in denen herkömmliche Lösungen mit einer kabelgebundenen Stromversorgung oder Internetverbindung schwierig oder zu kostenintensiv wären. Gerade an Fließgewässern kann eine Lösung mittels LoRaWAN ideal genutzt werden.
Alle eigenen im Projekt eingesetzten Pegel- und Niederschlagssensoren hat das IoT-Team der ENERVIE Service vollständig in die bereits bestehende flächendeckende LoRa-Infrastruktur integriert. Zusätzlich stellen sie sicher, dass Messdaten externer, bereits vorhandener Pegelmessungen mittels REST-API in das System eingebunden werden. Datenquellen müssen daher nicht redundant aufgebaut und bereits vorhandene Ressourcen können effizient genutzt werden. Da diese Daten jedoch nicht aus eigenen Sensoren stammen, wird empfohlen, im Vorfeld die Art der Datennutzung und die entsprechenden Berechtigungen zu klären.
LoRaWAN steht für eine einfache Skalierbarkeit: Die Anzahl der eingesetzten Sensoren kann im Rahmen der Erfordernisse vor Ort problemlos erweitert werden, um somit neue oder sich verändernde Risikobereiche abzudecken. Selbst bei extremen Wetterbedingungen bleiben aus Erfahrung der Fachleute die robuste Funktechnologie und die qualitativ hochwertigen Sensoren zuverlässig verbunden und liefern kontinuierlich Daten. Weitere Pluspunkte: Die batteriebetriebenen Sensoren funktionieren oft jahrelang wartungsfrei und senken entsprechend deutlich die Betriebskosten. Bei der Positionierung der Sensoren kann sehr flexibel vorgegangen werden, da keine direkte Sichtverbindung zu Basisstationen erforderlich ist. All diese Vorteile machen aus Sicht von ENERVIE Service LoRaWAN unter der Voraussetzung einer bestehenden LoRa-Infrastruktur zur idealen Wahl für langfristige, nachhaltige und effektive Hochwasserschutzmaßnahmen.

2. Datenintegration, Visualisierung und Flexibilität
Die gesammelten Daten laufen auf der IoT-Plattform zusammen, wo sie aufbereitet und über standardisierte Schnittstellen zur Verfügung gestellt werden. Dies bietet den großen Vorteil, dass die Daten innerhalb der eigenen Plattform genutzt werden und zudem flexibel sowie unkompliziert an externe Systeme und Anwendungen weitergeleitet werden können. So kann eine universell nutzbare Datenbasis aufgebaut werden, die langfristig in andere städtische Plattformen und Smart-City-Systeme (z. B. Urban Data Platform) einspeist.
Zur Visualisierung und Analyse der Daten setzt die ENERVIE Service auf Grafana. Dieses Visualisierungstool ist bewährt und kann nahtlos mit der entsprechenden IoT-Plattform verbunden werden. Grafana erlaubt es, Dashboards spezifisch an die Bedürfnisse unterschiedlicher Nutzergruppen anzupassen und Berechtigungen sowie Zugriffe flexibel zu steuern. Denkbar wäre es auch, über Grafana einzelne Dashboards zu veröffentlichen und beispielsweise Bürgerinnen und Bürgern direkt und transparent über Hochwassergefahren zu informieren. Momentan werden die Dashboards durch den SELH und die Feuerwehr genutzt und getestet, die damit planen, zukünftig schnell und präzise auf Ereignisse reagieren zu können.
Abbildung 1 zeigt einen kleinen anonymisierten Ausschnitt aus dem Dashboard des Hochwassermonitorings. So können die Niederschlagsmessungen (Balken) im Stadtgebiet mit den Pegelmessungen (Linien) verschiedener Flüsse innerhalb des Stadtgebiets verglichen werden. Auf diese Weise kann bereits visuell erkannt werden, wie Niederschlags- und Pegelanstieg bei den unterschiedlichen Flüssen zusammenspielen.

3. Prävention durch Zeitanalyse – Regenintensität und Pegelstände
Der größte Mehrwert des smarten Hochwassermonitorings liegt in der Analyse und Prognosefähigkeit. Durch die Korrelation von Niederschlagsmenge und Pegelständen ist es möglich, fundierte Vorhersagen zu treffen, wie stark ein Gewässer bei einer bestimmten Niederschlagsmenge ansteigen wird und wie schnell dies geschieht. Gerade in dicht besiedelten urbanen Regionen ist eine genaue Vorhersage von Hochwasser essenziell und die Basis für frühzeitige Schutzmaßnahmen wie den Aufbau mobiler Schutzwände oder gezielte Evakuierungen. An dieser Stelle wird empfohlen, frühzeitig mit der Datenbeschaffung zu beginnen und so eine ausreichende Datenmenge zur Analyse und Auswertung der Korrelation zu sammeln.
Mit dem vorliegenden Monitoring-System können Einsatzkräfte wie Feuerwehr und Katastrophenschutz wertvolle Vorlaufzeit erhalten, um Entscheidungen auf Basis verlässlicher Daten treffen zu können. Dieses Vorgehen soll nicht nur Schäden an Gebäuden und Infrastruktur reduzieren, sondern kann auch Menschenleben retten. Darüber hinaus ermöglicht die genaue Dokumentation der Ereignisse mittels Zeitreihen eine langfristige Planung und Optimierung kommunaler Hochwasserschutzmaßnahmen.
Dieses System ist ein wichtiger Baustein unserer Strategie zur Anpassung an den Klimawandel. Wir nutzen die Möglichkeiten der Digitalisierung, um unsere Region sicherer und lebenswerter zu machen.
Michael Deppe, Technische Betriebsleitung SELH
Ein weiterer Vorteil zeigt sich für die nachhaltige Stadtplanung: Kommunalverwaltungen können mit diesem Monitoring wertvolle Erkenntnisse über kritische Stellen und Risikogebiete erhalten. Die gewonnenen Daten helfen, zukünftige Infrastrukturmaßnahmen und städtebauliche Projekte langfristig resilient gegen Starkregenereignisse und Hochwasser zu gestalten.
Fazit
Das Hochwassermonitoring der ENERVIE Service und des SELHs zeigt eindrucksvoll, wie Sensorik, intelligente Datenverarbeitung und die Nutzung IoT-basierter Kommunikationstechnologien konkret zur Hochwasserprävention beitragen können. Durch die Kombination aus präziser Sensorik, leistungsfähiger IoT-Plattform und flexibler Visualisierung profitieren Bürgerinnen und Bürger, ortsansässige Unternehmen sowie Einsatzkräfte und Städte gleichermaßen von erhöhter Sicherheit, besseren Entscheidungen und nachhaltiger Stadtentwicklung.
4. Kontakt
Sie möchten mehr über Hochwassermonitoring erfahren?
Kontaktieren Sie uns gerne!
Julian Folgner
IoT- und Energiedatenmanagement, ENERVIE Service GmbH
Christian Faust
Gewässerunterhaltung und -ausbau
SELH AöR
www.selh.de