Freitag, 6. Dezember 2024
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Weiterbildungsprogramm „Digital Twins für Städte“ für kommunale Mitarbeiter:innen

Die Technische Universität München startet im Februar 2025 das Zertifikatsprogramm „Digital Twins für Städte“. Es vermittelt, wie städtische Daten in virtuelle Modelle übersetzt und als Planungsinstrument in Mobilität, Umwelt und Wohnen eingesetzt werden können.

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Prof. Dr. Simon Nestler im Gespräch über Change Management und UX in Kommunen

Titelbild: © Julia Nestler
Im Austausch mit kommunalen Digitalisierungsbeauftragten merken wir verstärkt, dass die lokale Smart City-Entwicklung nur gelingen kann, wenn innerhalb des Konzerns Kommune die richtigen Allianzen zwischen Digitalisierungs-begeisterten Mitarbeiter*innen gebildet und Changemanagement-Prozesse betreut werden. In diesem Interview mit Prof. Dr. Simon Nestler, Experte für Mensch-Computer-Interaktion haben wir über Change Management und positive Benutzer*innenerlebnisse gesprochen, da sie eine verwaltungsinterne und -externe Digitalisierung von Kommunen begünstigen.

Prof. Dr. Simon Nestler befasst sich seit 15 Jahren als Wissenschaftler, Berater und engagierter Informatiker mit Benutzer*innenerlebnissen. Neben seiner Hochschultätigkeit als Inhaber des Lehrgebietes Mensch-Computer-Interaktion an der TH Ingolstadt, ist er Gründer und Geschäftsführer der Nestler UUX Consulting GmbH. In dieser Funktion berät er die öffentliche Verwaltung und organisierte Zivilgesellschaft in Sachen Usability und User Experience. Darüber hinaus ist er Mitglied des Präsidiums der Gesellschaft für Informatik sowie mehrerer weiterer Gremien mit Fokus auf barrierefreie Informationstechnik.

Vor Kurzem hat der studierte und promovierte Informatiker sein Buch Menschzentrierte Digitalisierung veröffentlicht. In diesem Praxisleitfaden erläutert Simon Nestler, wie die Umsetzung gelungener Usability und User Experience in der öffentlichen Verwaltung gelingen kann. Die Inhalte des Buches speisen sich aus seinen wissenschaftlichen und beratenden Tätigkeiten, in denen er Behörden und Organisationen bei der Verbesserung ihrer Fachanwendungen und Webportale hinsichtlich Gebrauchstauglichkeit, Softwareergonomie und Barrierefreiheit erforscht und unterstützt.

1. Wie würden Sie Usability und User Experience Beschäftigten im öffentlichen Sektor erklären, so dass sie den Mehrwert dieser Konzepte für ihre tägliche Arbeit erkennen?

Usability bedeutet, dass sich eine Software effektiv, effizient und zufriedenstellend seitens der Beschäftigten bedienen lässt. Somit ist Usability eine ganz grundlegende Qualitätsanforderung an jegliche Software in Behörden. „Gebrauchstauglichkeit“ ist dabei die korrekte deutsche Übersetzung des Begriffs „Usability“ – das bedeutet also sinngemäß: Die Software kann für meine tagtägliche Arbeit verwendet werden. Es ist somit auch klar, dass wir als Beschäftigte im öffentlichen Sektor keine Software haben wollen, die man nicht vernünftig im Alltag verwenden kann.

User Experience setzt dann noch ein bisschen höhere Anforderungen: Hier sprechen wir zusätzlich davon, dass es ein positives Nutzungserlebnis bei der Verwendung der Softwareanwendungen geben soll. Dieses Erlebnis berücksichtigt insbesondere auch die positiven Emotionen, die ich gegenüber der Software und auch gegenüber meiner Behörde habe. User Experience bezieht sich damit nicht mehr länger nur auf den Prozess der Benutzung selbst, sondern betrachtet auch die Prozesse vor der Nutzung der Software sowie die Prozesse, die erst nach der Nutzung der Software stattfinden.

2. Wellen Stellenwert nehmen Usability und User Experience im öffentlichen Sektor nach Ihrer Einschätzung derzeit ein (im Vergleich zur Digitalwirtschaft)?

Wir bemerken aktuell, dass die Perspektive auf das Themenfeld Usability und User Experience – oder kurz: UUX – im öffentlichen Sektor sehr heterogen ist: Es gibt Kommunen, die das vielleicht schon mal gehört haben, aber noch nicht den direkten Bezug zu der eigenen Kommune und zu der eigenen Arbeit erkennen. Es gibt aber auch Kommunen, die bereits eine sehr klare Strategie und sehr klare Konzepte haben, was die Mindestanforderungen in Bezug auf Usability und User Experience betrifft.

Der öffentliche Sektor ist im Vergleich zur Digitalwirtschaft ja sehr darauf fokussiert, alle gesetzlichen Rahmenbedingungen einzuhalten. Das hat in diesem Themenfeld die Konsequenz, dass neue Anforderungen an die Barrierefreiheit dazu führen, dass das Thema „Softwareergonomie“ insgesamt nun viel stärker in den Fokus rückt. Behörden wollen und müssen stets rechtskonform agieren, das bedeutet konkret: Wenn die BITV nun fordert, dass die Fachanwendungen und die Webportale für Menschen mit Behinderungen problemlos bedienbar sein sollen, dann ergibt sich für den öffentlichen Sektor daraus automatisch auch die Konsequenz, dass diese Angebote für Menschen ohne Behinderungen ebenfalls vernünftig bedienbar sein müssen. Das führt dann wiederum dazu, dass durch die Barrierefreiheit insgesamt viel Bewegung in das Themenfeld UUX kommt. Der öffentliche Sektor ist an manchen Stellen dadurch sogar schon weiter als die Digitalwirtschaft – insbesondere was die innerhalb der Organisation zum Einsatz kommenden Softwareanwendungen betrifft.

3. Was ist die größte Herausforderung(en) beim Changemanagement im öffentlichen Sektor, die Sie in Ihrer Beratungstätigkeit erleben und welche Lösungsansätze können Sie empfehlen?

Die größte Herausforderung für Kommunen ist im Moment: Dieser steigende Fokus auf Usability und User Experience führt nun dazu, dass ein gänzlich anderer Prozess der Entwicklung von digitalen Lösungen innerhalb der Kommunen notwendig ist. Denn Usability und User Experience sind nichts, was wir – wie viele andere Aspekte – als eine Funktionalität in unsere Software einbauen können, sondern sie sind das Ergebnis des korrekten Prozesses; dieser Prozess ist in der DIN EN ISO 9241-210 definiert.

Der Prozess der menschzentrierten Digitalisierung ist von seiner Grundstruktur jedoch ganz anders als die bisherigen Herangehensweisen im öffentlichen Sektor: Denn dieser Prozess bindet von Anfang an diejenigen, die die Lösung später bedienen sollen, mit ein und entwickelt Lösungen in schnellen, agilen und iterativen Zyklen. Anhand ganz konkreter Bedürfnisse werden Lösungen entwickelt – und diese werden auf Basis der Anforderungen regelmäßig evaluiert. Dadurch wird früh klar, inwiefern die gegenwärtigen Gestaltungslösungen die geforderten Anforderungen dann auch tatsächlich erfüllen. Das führt im Ergebnis dann wiederum dazu, dass das klassische Ping-Pong zwischen „Ich erstelle eine Ausschreibung“ und „Ich erhalte ein Angebot, das all meine Probleme löst“ komplett durchbrochen werden muss. Denn die Frage, was tatsächlich meine grundlegenden Probleme sind, ist nun etwas, das schrittweise und iterativ in diesem menschzentrierten Digitalisierungsprozess herausgearbeitet wird. Wir müssen uns in unseren Behörden also von einem Denken in Problemen und Lösungen zu einem Denken in Kompetenzen und Prozessen transformieren.

4. Stadtgesellschaften sind ein Konglomerat aus unterschiedlichsten Bevölkerungsgruppen mit hochindividuellen Anforderungen und Bedürfnissen an ihr Stadtleben. Wie können Kommunen bei der Gestaltung städtischer Services den Balanceakt zwischen geringen Entwicklungsressourcen und Zielgruppenorientierung meistern?

Hier müssen wir – glaube ich – klar differenzieren. Zunächst einmal ist nämlich zu klären, was Menschzentrierung oder „Zielgruppenorientierung“ – wie Sie es nennen – ganz konkret bedeutet. Zielgruppenorientierung führt ja nicht nur zu Anforderungen an die Inhalte, also zu Anforderungen an das „Was“ – sondern führt ja sehr stark auch zu Anforderungen an das „Wie“. Und wenn ich jetzt überlege: „Welche Zielgruppen haben die strengsten bzw. die härtesten Anforderungen an die Art und Weise, wie ich meine Informationen darbiete und wie ich meine Services anbiete?“ – dann wird relativ schnell klar, dass diese Heterogenität gar nicht das größte Problem ist.

Denn wenn ich mich ganz klassisch auf die extremen Anforderungen fokussiere und mich frage: „Wie kann ich bestimmte Services bestmöglich denjenigen Menschen in der Stadtgesellschaft anbieten, die Sprachbarrieren haben oder von kognitiven Barrieren betroffen sind oder aufgrund ihrer Mobilitätseinschränkungen nicht persönlich vor Ort bestimmte Dinge in Anspruch nehmen können?“ – dann entwickele ich dadurch automatisch eine Vielfalt an Zugangswegen. Von diesen Zugangswegen profitieren auch Menschen, die weniger strenge oder weniger extreme Anforderungen haben. Das bedeutet: Wenn ich insbesondere auch auf die Menschen Rücksicht nehme, die in Bezug auf die individuelle Leistungsfähigkeit oder auch in Bezug auf die Digital- und Technikkompetenzen niedrigere Voraussetzungen haben, dann schaffe ich damit im Ergebnis etwas, von dem alle profitieren. Um zu dem Beispiel der Barrierefreiheit zurückzukommen: Nur wenige Menschen – statistisch sind ungefähr 10 % der Menschen in Deutschland schwerbehindert – sind auf Barrierefreiheit angewiesen. Aber alle profitieren davon. Also auch wenn ich beispielsweise keine Mobilitätseinschränkung habe, profitiere ich doch davon, dass bestimmte Behördengänge inzwischen digital erfolgen können.

Doch auch auf der inhaltlichen Ebene lässt sich das vermeintliche Dilemma leicht auflösen: Letztendlich gibt es in einer Stadtgesellschaft eine Vielzahl von Grundbedürfnissen, die von einer großen Menge an Menschen geteilt werden. Wenn es um die Inhalte geht, ist es daher das beste Vorgehen, sich im ersten Schritt genau auf die Themen zu fokussieren, die bisher in der Stadtgesellschaft noch nicht so gut abgedeckt werden. Der Fokus sollte auf den Aspekten liegen, bei denen es noch keine adäquaten Lösungen gibt – um diese besser zugänglich zu machen.

5. Zahlreiche im Smart City-Bereich aktive Städte stellen ihren Bürger*innen mittlerweile eigene Smart City-Apps bereit. Wie bewerten Sie diese Entwicklungen vor dem Hintergrund Ihres Fachwissens?

Für mich stellt sich bei jeglicher Art von App, ja eigentlich bei jeglicher konkreter Technologie, die seitens einer Kommune bereitgestellt wird, immer eine ganz naive Frage: Welches Problem will die Stadt mit Ihrer App lösen? Ich habe sehr häufig den Eindruck, dass manche Städte in Versuchung geraten und sagen: „Wir brauchen jetzt auch eine digitale App für unsere Stadt, weil Solingen hat eine, Jena hat eine und Wuppertal hat auch eine. Deswegen brauchen wir auch eine App.“. Und wenn ich dann frage: „Wozu soll die App denn da sein?“ Dann erhalte ich als Antwort: „Ja… Für die Bürgerinnen und Bürger unserer Stadt natürlich!“ Doch wenn ich mir jetzt beispielsweise die drei gerade genannten Apps ansehe, dann würde ich mit meinem kritischen Blick sagen: Da sind manche nützliche Dinge enthalten, die für Bürger*innen einen echten Mehrwert bringen und die in dem originären Verantwortungsbereich der Kommune liegen. Ein gutes Beispiel ist der Abfallplaner oder die Buchung von Terminen im Bürgeramt.

Aber in diesen Apps gibt es gleichzeitig auch viele Dinge, wo ich sage: Dafür ist eine kommunale App eigentlich nicht die perfekte Plattform; zum Beispiel: Eine Auflistung von Geschäften in einem bestimmten Bereich. Da wäre es doch viel sinnvoller, das in bereits existierende Karten-Apps zu integrieren. Oder auch die Rubrik mit den Nachrichten – die kommunalen Nachrichten sollten doch stattdessen besser dort verfügbar sein, wo Bürger*innen auch ihre anderen Nachrichten konsumieren. Auf den ersten Blick erscheinen diese Apps daher auf mich zu überladen, sie sind auf den ersten Blick ein recht buntes Sammelsurium. Das haben wir in der Vergangenheit schon an anderer Stelle einmal probiert – und es hat nicht funktioniert: Vor einigen Jahren gab es mehrere erfolglose Versuche, Webportale zu etablieren; doch diese sind heute für die meisten Menschen keine zentrale Anlaufstelle mehr. Sondern: Wenn ich Nachrichten lesen möchte, gehe ich auf ein Nachrichtenportal. Wenn ich eine Bahnverbindung suchen möchte, gehe ich auf die Webseite der Bahn. Wenn ich Informationen zu Sperrmüll möchte, gehe ich auf die Webseite der Kommunalbetriebe. Und wenn ich Informationen zu meinem Glasfaseranschluss möchte, dann gehe ich auf die Webseite meiner städtischen Telefongesellschaft.

Eine gute App fokussiert sich aus meiner Sicht auf genau eine primäre Aufgabe. Doch was ist diese eine primäre Aufgabe der Stadt aus Sicht der Bürger*innen? Die Stadtverwaltung bietet den Bürger*innen bestimmte Services – das, was Kommunen in Ihren Apps exklusiv anbieten sollten, ist der Zugang zu den Ämtern. Als Bürger erwarte ich von meiner Kommune beispielsweise, dass ich in diesem Zusammenhang aktuelle Informationen zu den angebotenen Leistungen erhalte, dass ich in allen Ämtern Termine buchen kann und dass ich mir die passenden Informationen und Dokumente im Vorfeld zu einem Termin herunterladen kann. Doch dieses Angebot wird jetzt jedoch nicht zwangsläufig dadurch innovativer, dass es in einer App angeboten wird. Wenn die Kommune hier eine gute Webseite anbietet, die auch auf Mobilgeräten funktioniert, dann ist das sicherlich eine genauso zielführende Lösung.

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Dimitri Ravin
Dimitri Ravin
Dimitri Ravin befasst sich seit dem Jahr 2017 als Initiator von urban-digital.de mit dem Einfluss der Digitalisierung auf Städte. Parallel ist er mit Beratungs- und Vortragstätigkeiten i. Z. m. Smart City Projekten und Strategien tätig. Davor untersuchte er am Institut für den öffentlichen Sektor (KPMG) die Smart City-Strategien deutscher Großstädte und war als Projektassistenz für digitale Projekte bei der Stadt Dortmund angestellt. Mehr Informationen und Kontaktdaten →

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