Titelbild: Peter Sommer, Geschäftsführer Smart City Unit Tobit.Software
Mit langjähriger Erfahrung im Partnermanagement von Tobit.Software und als Botschafter der Tobit Laboratories für die Digitalstadt Ahaus kennt Peter Sommer die Herausforderungen und Chancen, die sich für Innenstädte in Zeiten des digitalen Wandels ergeben. Seit 2002 ist er bei Tobit.Software tätig, wo er in 2024 die Geschäftsführung der neugegründeten Smart City Unit (SCU) übernommen hat.
Sein Fokus liegt darauf, wie kommunale Unternehmen und lokale Gewerbetreibende digitale Lösungen nutzen können, um die Innenstädte lebendig zu halten, den Handel zu stärken und neue Erlebnisräume zu schaffen. In den vergangenen Jahren hat er mit seinem Team die Branche durch innovative Konzepte und Lösungen wie digitale Gutscheine, Sharing-Modelle und Gamification-Ansätze entscheidend mitgeprägt.
In diesem Interview sprechen wir mit ihm über bewährte Strategien zur Belebung von Innenstädten, den Umgang mit skeptischen Gewerbetreibenden und darüber, welche Rolle neue Technologien für die Zukunft analoger Begegnungsorte einnehmen sollten.
1. Erprobte Lösungen für lokale Wertschöpfung
Welche Lösungen haben sich in Ihren Projekterfahrungen am meisten bewährt, um Innenstädte zu beleben und die Wertschöpfung lokal zu halten?
Ganz wichtig für die Kaufkraftbindung und die lokale Wertschöpfung ist aus unseren Erfahrungen der Stadtgutschein. Ein Instrument, das schon lange im Umlauf ist, eigentlich jedem bekannt sein sollte, aber häufig nicht richtig zum Einsatz kommt. Nutzt man seine digitalen Potenziale, ergeben sich eine Vielzahl an Kombinationsmöglichkeiten.
Im digitalen Stadtquiz oder Kneipen-Battle kann er als Aktionsgutschein ausgespielt werden, als Arbeitgebergutschein landet er direkt in der Wallet der Mitarbeiter:innen, oder für Freizeitaktivitäten kommt er als Zahlungsmittel, auch bei personallosen Angeboten direkt zum Einsatz. Da man ihn nur auf dem Smartphone, also ohne zusätzliche Plastikkarte nutzen kann, ist er immer dabei und wird in sämtliche Prozesse eingebunden. Städte wie z.B. Ahaus schaffen damit Umsätze von über 800.000 Euro im Jahr und das bei nur 40.000 Einwohner:innen. Das hat natürlich Auswirkungen auf Handel und Gastronomie und etabliert sich nach und nach zu einer echten Stadtwährung.
2. Bedenkenträger als Herausforderung
Wie können motivierte Citymanager:innen mit Gewerbetreibenden umgehen, die bei dem Thema Digitalisierung „die Schotten dicht“ machen?
Digitalisierung ist im Handel und Gastgewerbe ein bekanntes Thema. Alle wissen, dass sie nicht daran vorbeikommen, wenn sie den Mitarbeitermangel in den Griff bekommen wollen. Manche versuchen aber das Thema „auszusitzen“ und auf die nächste Generation zu verlagern. Andere wissen nicht genau, was sie denn jetzt am besten machen können oder sollten.
Die besten Erfahrungen für die erfolgreiche Einführung von digitalen Tools haben wir gemacht, wenn wir zuerst einmal die Innovatoren unter den Gewerbetreibenden ausfindig machen und mit ihnen die ersten Piloten starten. Sie sind offen, gehen direkt in die Umsetzung und erkennen die Mehrwerte für sich und ihr Unternehmen. Oft geht es um Effizienz und natürlich auch mehr Umsatz. Funktioniert das Konzept, spricht es sich schnell herum, denn die Unternehmer sind vernetzt in Gewerbe- oder Wirtsvereinen, in Stadtmarketing Organisationen oder Unternehmergruppen. Wer eine erfolgreiche digitale Idee nutzt, wird nach seinen Erfahrungen befragt und dann auch schnell kopiert. Wichtig dabei ist es, diese erste Phase intensiv zu begleiten und zu unterstützen.
3. Digitales mit
Wie können digitale Lösungen effektiv mit traditionellen Maßnahmen für Marketing und Wirtschaftsförderung kombiniert werden, um eine umfassende Strategie zur Belebung der Innenstädte zu schaffen?
Eine der Kernaufgaben des Stadtmarketings ist ja die Planung und Durchführung von Events zur Belebung der Innenstadt. Ich bin sicher, dass dabei überall digitale Unterstützung zum Einsatz kommt.
- Beim Verkauf von Tickets und Aktionsgutscheinen,
- bei der Kommunikation,
- beim Check-in
- und dann natürlich auch beim Verkauf von Speisen und Getränken auf den Events.
Unser Stadtmarketing in Ahaus hat gute Erfahrungen mit der direkten Ansprache über die eigene Super-App, direkt auf den Smartphones der Bürger. So erreichen sie ihre Zielgruppe direkt und sorgen für Aufmerksamkeit. Sind sie dann auf dem Event, kommt Self-Order, also das digitale Bestellen und Bezahlen mit dem Smartphone zum Einsatz. Weil die Gäste mehr eingebunden werden und alles digital und bargeldlos abgewickelt wird, wird auch der Aufwand deutlich verringert.
Auch Traditionsveranstaltungen wie Schützenfeste stehen vor diesen Herausforderungen, ebenso Biergärten, die in den Sommermonaten wegen Personalmangel nicht mehr geöffnet werden können, wenn sie keine digitale Unterstützung bekommen.
Wirtschaftsförderungsgesellschaften entdecken gerade für sich die vielen Sharing-Möglichkeiten, die unser cloudbasiertes Betriebssystem chayns® ermöglicht. Darüber verleihen sie zum Beispiel Lastenräder oder Spielgeräte, bieten Co-Working-Spaces an, oder auch kleine digitale Supermärkte. Da ist noch viel Potenzial und weil die Umsetzung sehr günstig und einfach ist auch viel Raum und zu experimentieren.
4. Koordinator:innen sind entscheidend
Warum ist die Rolle der Koordinator:innen für den effektiven Einsatz digitaler Lösungen bei den lokalen Gewerbetreibenden, so entscheidend?
Ich würde sogar noch weiter gehen. Es braucht Koordinator:innen und Treiber:innen für die Digitalisierung. Der erste Impuls reicht nicht aus, um die Dinge dann auch in die Umsetzung zu bringen. Über 1.000 Vertreter aus Kommunen, Wirtschaftsförderungen, Stadtmarketingorganisationen und IHKs besuchen uns jedes Jahr in der Digitalstadt.
Sie sind alle begeistert und inspiriert, doch nur die wenigsten kommen in die Umsetzung. Erfolgreich sind die, die einen Treiber haben, der am Ball bleibt, die Gewerbetreibenden motiviert, Best Practice Beispiele aus der eigenen Stadt nach vorne holt und auch bei bereits umgesetzten digitalen Angeboten dafür sorgt, dass sie gut funktionieren und wahrgenommen werden.
Der Stadtgutschein ist auch hier wieder ein schönes Beispiel. So gut wie jede Stadt hat einen Gutschein, aber nur da, wo er aktiv unterstützt wird, wo sich das Citymanagement oder das Stadtmarketing intensiv kümmert und immer wieder neue Nutzungsmöglichkeiten und Angebote findet, da ist er zu einer echten lokalen Währung geworden.
5. Kostenmanagement
Welche Strategien empfehlen Sie, um die Kosten für die Einführung digitaler Lösungen minimal zu halten?
Grundsätzlich macht es natürlich Sinn, nicht alles neu zu erfinden, sondern auf bereits bestehende, erfolgreiche Anwendungen zu setzen. Das machen viele Kommunen. Sie tauschen sich aus, um von den Erfahrungen anderer zu lernen und schnell in die Umsetzung zu kommen.
Wir empfehlen immer aus der Sicht der Bürger:innen zu schauen, also zu sehen, was sie wirklich machen, nicht unbedingt, was sie sich in Umfragen wünschen. Das sind manchmal zwei verschiedene Paar Schuhe. Dann kommt man schnell zu pragmatischen Lösungen, die man dann auch gleich ausprobieren kann. Viele Kommunen, Organisationen und Vereine nutzen dazu unser Betriebssystem chayns®, weil es bedienerfreundlich ist, keine besondere Expertise erfordert und man als Citymanagement, Stadtmarketing oder Wirtschaftsförderung selbst in die Umsetzung gehen kann. Damit verringert man auch die Kosten für Agenturen, denn vieles kann man selbst machen und kommt dabei dann auch schnell zu neuen Ideen.
Als Beispiel sei die Stadt Ettlingen genannt, die mit einem digitalen Pop-up-Supermarkt gestartet ist, dann einen digitalen Spielschrank eingeführt hat, dann eine Fahrradgarage mit digitalem Zugang und gerade mit einem Miet-Kinosaal gestartet ist, alles auf der gleichen Plattform chayns®.
Wir danken Ihnen für das inspirierende Interview und freuen uns auf die weitere Entwicklung von Tobit.Software!
6. Kontakt
