Autorin: Meta Koch, Referentin für Kommunikation und Marketing, Stadt Wuppertal Die grüne Großstadt Wuppertal gilt als eine Stadt des Wandels. Die Geschichte der Stadt zeigt, dass in der Vergangenheit bereits oft Transformationsprozesse erfolgreich vollzogen wurden. Von der Frühindustrialisierung über die Etablierung als Textilstandort bis hin zur heutigen Zeit, in der Wuppertal als einer der grünsten Städte Deutschlands eine starke Industrie vorweist und als Wissensstandort gilt.
Die Schwebebahn ist das Wahrzeichen der bergischen Großstadt. Erbaut 1901, sollte dieses etwas andere Verkehrsmittel den Osten mit dem Westen Wuppertals verbinden. Bereits damals ging es um Vernetzung.
Nichts Anderes verfolgt eine Smart City: Digitale Lösungen werden im Rahmen der Stadtentwicklung so eingesetzt und vernetzt, dass die Lebensqualität und Zukunftsfähigkeit einer Stadt steigen. Im Smart City Modellprojekt setzt Wuppertal genau hier an und nimmt damit eine Vorreiterrolle für andere Kommunen ein.
Smart City: Die Stadt Wuppertal steht Modell
Gemeinsam mit anderen Städten hat sich Wuppertal erfolgreich als eines von 73 Modellprojekten für die 3. Staffel der „Smart Cities made in Germany“ beworben. Damit hat die Großstadt den Zuschuss für ein vom Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen (BMWSB) gefördertes Digitalisierungsprogramm für deutsche Städte, Kreise und Gemeinden erhalten. Eine große Chance für die bergische Stadt. Eine Chance, die Wuppertal jetzt nutzt und die Transformation zur Smart City proaktiv vorantreibt. Ziel dabei ist es, durch den Einsatz innovativer Technologien und der Vernetzung von Infrastrukturen ein lebenswertes und nachhaltiges Wuppertal zu schaffen, sowie die Innovationskraft der Stadt zu steigern. In diesem Rahmen entwickelt Wuppertal nun die Smart-City-Strategie und legt den Grundstein für die Projekte der kommenden Jahre.
Mehr Vielfalt und Vernetzung durch Smart Cities
Es gibt viele Bedeutungen für den Begriff „Smart City“. Allen gemein ist der Kerngedanke, moderne Technologien für die zukünftige Stadtentwicklung und gesellschaftliche Herausforderungen zu nutzen. Doch jede Stadt ist individuell, deshalb ist die Definition genauso individuell. Wuppertal ist eine Stadt, in der Vielfalt und Vernetzung ein wesentlicher Teil der DNA sind. Die Digital-Szene besteht aus unterschiedlichen Akteuren: Wissenschaftler:innen, Startups, Hacker:innen. Hinzu kommt die hohe Partizipation der Bevölkerung am Stadtgeschehen. Als Smart City möchte Wuppertal diese Vernetzung und Vielfalt weiter fördern und eine Zukunftsstadt schaffen, die sich im Herzen treu bleibt und das geballte Know-how der Stadtgesellschaft nutzt.
„Bei Smart City geht es vor allem um die die Vernetzung. Das heißt: Eine unserer wichtigsten Aufgaben ist es, die Bürger und Bürgerinnen, Wirtschaft, Wissenschaft und Politik unserer Stadt zusammenzubringen, um Wuppertal gemeinsam zur Zukunftsstadt zu machen.“
Jacqueline Stork, Smart City Expertin im Competence Center Smart City
Sechs Stellschrauben für die Smart City Strategie
Im Zentrum der Smart City Strategie Wuppertal stehen sechs Handlungsfelder, die zukünftig durch smarte Technologien verbessert werden sollen. In der Verwaltung wird das digitale Angebot erweitert: Wuppertaler:innen profitieren von effizienteren und komfortableren Abläufen, die Behördengänge insgesamt vereinfachen und einen Vorort-Besuch teilweise überflüssig machen. In Wuppertal existiert bereits ein breites Mobilitätsangebot aus Bussen, Schwebebahn, E-Bikes, E-Autos und E-Scootern. Ziel der Smart City ist es, diese Angebote intelligent miteinander zu vernetzten und so ein möglichst lückenloses Mobilitätsangebot zu schaffen.
Wie Technologien das Leben der Wuppertaler Bürger:innen verbessern, wird durch die Handlungsfelder „Smarte Wuppertaler:innen“ und „Smartes Leben“ betrachtet. Im Fokus stehen dabei Assistenzsysteme im öffentlichen Raum und Zuhause sowie die Digitalisierung in Wohnquartieren. Gerade im Zuge der Corona-Pandemie ist die Bedeutung von Vernetzung und Miteinander jedem von uns bewusster denn je geworden. Aus diesem Grund möchte die Stadt digitale Möglichkeiten schaffen, um Bewohner:innen der Stadtquartiere sowohl „online“ als auch „offline“ miteinander zu verbinden und den Gemeinschaftsgedanken weiter zu fördern.
Zwei weitere Handlungsfelder der Smart City Wuppertal umfassen die Bereiche „Smarte Umwelt“ und „Smarte Wirtschaft“. Als grüne Großstadt misst Wuppertal dem Umweltschutz und der Nachhaltigkeit eine wichtige Bedeutung bei. Mit Hilfe smarter Technologien kann sich die Stadt in dem Bereich noch besser aufstellen. Die Hochwasserkatastrophe im Sommer 2021, als der Fluss Wupper über die Ufer trat und ganze Stadtteile überschwemmte, hat gezeigt, wie wichtig Prävention und Frühwarnung sind. Die Stadt plant gemeinsam mit Nachbarkommunen und unter Federführung des Wupperverbands die Vernetzung von smarten Technologien und Daten, um in Zukunft noch frühzeitiger und schneller reagieren zu können.
Auch Wuppertal mit dem Fachkräftemangel und den Folgen des Strukturwandels sowie des demographischen Wandels zu kämpfen. Smarte Technologien sind für die Stadt wichtige Instrumente, um diesen Entwicklungen zu begegnen und sich als Wirtschaftsstandort neu zu definieren. Ziel ist es, eine zukunftsfähige und innovationsfreudige Stadt für lokale und globale Akteure zu werden.
„Gemeinsam smart“ dank Workshops
mit verschiedenen Akteuren
Unter dem Motto „Wir machen Wuppertal gemeinsam smart“ organisierte das Competence Center Smart City eine Workshopreihe mit Wuppertalern:innen und Experten:innen zu den Smart City Handlungsfeldern. Das Ziel: Informationen teilen, Probleme aufdecken und smarte Ideen gemeinsam weiterentwickeln. Eingeladen waren dabei auch Fachexperten:innen, Vertreter:innen von Unternehmen, aus der Wissenschaft und der Politik, um alle Perspektiven für die Smart City Wuppertal zu berücksichtigen.
Die Ergebnisse der Workshopreihe wurden mit weiteren Expertenrunden angereichert und letztendlich zu strategischen Zielen und der Vision einer Smart City Wuppertal ausformuliert. Die Ergebnisse aus den einzelnen Etappen werden zu einer individuellen Smart City Strategie von und für Wuppertal zusammengeführt.
Quick Win Projekte: Smart City Wuppertal zum Greifen nah
Ab Ende 2022 plant Wuppertal die Umsetzung erster Projekte. Quick Win Projekte werden schnell realisiert und haben einen unmittelbaren Nutzen für die Beteiligten. Die Entscheidung für dieses Vorgehen kommt also nicht von ungefähr: Bürger:innen profitieren damit zügig von smarten Technologien und Wuppertal kann die Ergebnisse dieser „Praxistests“ für die großen Umsetzungsprojekte nutzen, welche an die Quick Win Projekte anknüpfen.
Moderne Technologien müssen erlebbar werden, damit sie begreifbar sind. Aus diesem Grund setzt die Stadt Wuppertal ein Tal.Lab um, welches eine Art öffentliches Experimentierlabor für smarte Lösungen ist. An diesem Ort werden smarte Konzepte vorgestellt, erarbeitet und getestet. 3D-Drucker, VR-Brillen und Informationsdisplays machen smarte Technologien im Tal.Lab „anfassbar“. Das fördert nicht nur die Akzeptanz und das Verständnis, sondern die Partizipation der breiten Bevölkerung.
Im Grünen Zoo plant die Stadt VR/AR-Anwendungen. Mithilfe einer speziellen Brille wird das Zooerlebnis um eine virtuelle Welt erweitert. In dieser zeigt der Wuppertaler Zoo Tiere, die nicht im Zoo leben.
Einen Stadtspaziergang per Smartphone? Ob historische oder kulturelle Sehenswürdigkeiten, der lokale Einzelhandel oder Naturhighlights: mit Hilfe einer App können Einheimische und Touristen auf Erkundungstour gehen.
Ein weiteres Quick Win Projekte sind öffentliche Touchdisplays in den Verwaltungsstellen. Behördengänge gestalten sich so in Zukunft komfortabler und barrierefreier.
Daten sammeln, darstellen und clever nutzen – das ist eine zentrale Aufgabe der Smart Cities. In Wuppertal gibt es bereits einige Lösungsansätze, die im Zuge der Umsetzungsphase weiterentwickelt werden. Ein Pilotprojekt der Stadt Wuppertal ist ein Management Dashboard. Relevante Informationen wie zum Beispiel Wetterdaten und Auslastungsinformationen (Schwimmbäder, Parkhäuser) können die Bürger:innen demnächst auf ihren Smartphones und im Web als Open Data abrufen. Die einfache und ansprechende Visualisierung schafft ein schnelles Verständnis bei Wuppertaler:innen jedes Alters. Damit steigt die Beteiligung am Stadtgeschehen und das grundsätzliche Verständnis für Technologien. Auf Basis der zur Verfügung gestellten Daten können zudem weitere nutzerorientierte Lösungen entwickelt werden.
Mit digitalem Zwilling heute schon das morgen gestalten
Die Quick Win Projekte sind Bestandteil der Umsetzungsphase A des Modellprojekts. In der Phase B realisiert Wuppertal bis 2026 größere Umsetzungsprojekte. Geplant ist die Erstellung eines digitalen Zwillings der Stadt, ein hochkomplexes digitales Abbild Wuppertals, welches auf Basis von Sensordaten aktuell und in Echtzeit den aktuellen Status der Stadt wiederspiegelt.
Mit innovativen Technologien wird das Straßennetz detailliert vermessen, um ein genaues Abbild zu schaffen. Bisherige 3D-Stadtmodelle werden nur alle 2-3 Jahre aktualisiert, der digitale Zwilling wird laufend auf den neuesten Stand gebracht. Das ist ein großer Vorteil, um Zukunftsszenarien und Simulationen unter realistischen Bedingungen zu testen und abzubilden. Auch die Beteiligung der Bevölkerung an der Gestaltung von öffentlichen Plätzen wird dadurch wesentlich einfacher.
„Der digitale Zwilling ist ein verfeinertes Abbild unserer Stadt. Er ist nicht statisch, sondern dynamisch – genauso wie unsere Stadt selbst.“
Stefan Sander, Ressortleiter Vermessung, Katasteramt und Geodaten Wuppertal
Für Wuppertal liegt das Hauptaugenmerk zunächst auf den Bereichen Verkehrslenkung und Klimawandel (Starkregenereignisse). Mithilfe des digitalen Zwillings werden hierfür Simulationen und Zukunftsszenarien durchgespielt, um auf Basis der Ergebnisse geeignete Präventionsmaßnahmen zu realisieren. Ein weiterer Schwerpunkt werden Parks- und Grünanlagen sein. Im Botanischen Garten könnten mithilfe des digitalen Zwillings zusätzliche Informationen über die Flora und Fauna per Smartphone abgerufen werden.
Unsere Welt verändert sich im Sekundentakt: Große Entwicklungen aber auch Krisen bestimmen nicht nur unseren Alltag, sondern verändern die Anforderungen an Städte weltweit. Die Corona-Pandemie und ganz aktuell der Ukrainekrieg haben bewiesen, wie fragil unsere Welt ist. Als Smart City kann Wuppertal Technologien nutzen, um sich und seine Bürger:innen für die Herausforderungen der Zukunft zu wappnen. Wo gelingt das besser, als in einer Stadt, in der Bahnen schweben?