Schultes berufliche Laufbahn ist geprägt von über 25 Jahren Erfahrung in der IT- und Digitalwirtschaft. Bereits 1995 gründete er die billiton internet services GmbH, die als Full-Service-Agentur Unternehmen bei der Entwicklung digitaler Strategien und Webauftritte unterstützt. Mit Projekten wie Lozuka und jetzt Awiti setzt er sich für die Digitalisierung regionaler Märkte ein und ermöglicht Städten, mit innovativen Lösungen ihre Attraktivität zu steigern.
In diesem Interview sprechen wir mit Patrick Schulte über die zusätzlichen Funktionen und Potenziale, die sich auf Basis eines gut funktionierenden Gutscheins für eine Region entwickeln können.
1. Historische Entwicklung
Sie beschäftigen sich seit dem Jahr 2016 mit Gutscheinportalen für die Stärkung lokaler Wertschöpfung. Was macht diese Lösung so attraktiv, so dass Kommunen diese bis heute nachfragen und wo stehen wir heute?
Gutscheinportale sind beliebt, weil vielen Menschen ihre Region am Herzen liegt. Dazu macht es aus Sicht der Regionalentwicklung Sinn, Wertschöpfung lokal zu halten. Außerdem machen Beispiele wie die „NEA-Taler“ oder das „Schwarzwald Kärtle“ deutlich, dass regionale Gutscheine allein durch ihren Namen eine emotionale Bindung herstellen können.
Zu der Marktdurchdringung lautet meine Einschätzung, dass Gutscheine generell als Instrument für lokale Wertschöpfung in Gesamtdeutschland viel Anklang finden. Da befinden wir uns bei der Marktdurchdringung wahrscheinlich schon im zweiten Drittel. Anders schaut es bei den digitalen und multidisziplinär gedachten Systemen mit weiteren Funktionen wie Spenden, Mitarbeitergutscheinen etc. aus. Für diese digitalen Systeme würde ich die aktuelle Marktdurchdringung auf maximal das erste Drittel einschätzen.
2. Positionierung Awiti
Wie haben Sie die Entwicklung von Gutscheinportalen als Anbieter begleitet?
Ausgehend von unserer Unternehmenshistorie, waren wir stets fokussiert auf die Bedürfnisse der Kommunen. Deshalb haben wir damals mit dem Aufbau von Online-Marktplätzen für Regionen begonnen, denn mit dem Anstieg des Online-Handels vor einigen Jahren, waren Online-Marktplätze häufig nachgefragte Lösungen. Diese Euphorie ist nach einiger Zeit verflogen, denn der Aufbau eines Online-Marktplatzes kann zwar kostendeckend funktionieren, wie es das erfolgreiche Beispiel in Siegen vor der COVID-19-Pandemie zeigte. Allerdings erfordert sein Betrieb ein hohes Commitment von kommunalen Akteuren sowie hohe Investitionen für die Kundengewinnung (Marketingkosten) und den Betrieb der Logistikinfrastruktur (Kuriere).
Die Kommunen und die Branche insgesamt hat dazu gelernt, dass ein deutlich schlankeres Modell für die Förderung lokaler Wertschöpfung ein Gutscheinportal ist. Entsprechend haben wir uns auch als Anbieter für Stadtgutscheine – sowie in der Erweiterung für Stadtportalsysteme – positioniert.
Auch bei den Nutzergruppen versuchen wir alle abzuholen, in dem wir unser Gutscheinsystem sowohl als Plastikkarte, als digitalen Gutschein und auch als Papierausdruck anbieten.
Neben der Bedarfsorientierung ist für uns die kaufmännische Perspektive entscheidend, denn wir fragen uns seit Tag eins immer, was die Kommunen brauchen, um ihre Gutscheinsysteme kostennachhaltiger umsetzen zu können? Die Entwicklung hat nämlich gezeigt, dass in Zeiten der COVID-19 Pandemie die Kosten zweitrangig waren. Die Bereitstellung von Fördergeldern und der große Handlungsdruck aufgrund der Notlage haben dazu geführt, dass Gutscheinsysteme sich nicht langfristig durchsetzen konnten.
Fallstudie Traunstein
Wir schauen immer, was wir der Region bieten können, um ihre Bedarfe zu lösen. Ein Beispiel, an dem diese Haltung zum Ausdruck kommt, ist unsere Zusammenarbeit mit einem Kantinenbetreiber in einer Region, die auch ein Gutscheinsystem von uns nutzt. Hier war die Problematik, dass für die Zahlungsabwicklung einer Schulkantine von einem international tätigen Zahlungsanbieter hohe Transaktionskosten aufgerufen wurden. Dies würde das eigentlich subventionierte Essen für die Schüler wieder teurer machen.
Wir haben uns dieser Herausforderung angenommen und sind zum Ergebnis gekommen, dass die Schulkantine im Grunde eine weitere Gutscheinakzeptanzstelle sein könnte. So haben wir den Kauf des Mittagessens in den Gutschein der Region integriert und konnten damit die Preise weiterhin gering halten, denn unsere Transaktionsgebühren sind deutlich geringer. Als positiver Nebeneffekt steigt dadurch natürlich auch die Bekanntheit des regionalen Gutscheins generell.
3. Begriffsdefinitionen
Stadtportale, Stadtgutschein, Onlinemarktplatz – Die Liste der Begrifflichkeiten für digitale Lösungen zur Förderung lokaler Wertschöpfung ist divers. Wie würden Sie diese Begriffe ordnen?
Aus unserer Sicht stellt das Stadt- bzw. Regionalportal den Oberbegriff dar, unter dem sich verschiedene digitale Lösungen vereinen lassen. Dazu zählen Gutscheinportale, Online-Marktplätze, Mitarbeitergutscheine, Ehrenamtsplattformen und andere. Jedes dieser Produkte wird von spezialisierten Anbietern bereitgestellt, und wir haben Partnerschaften geschlossen, um diese Lösungen für kommunale Kunden in einer Gesamtlösung zu integrieren. Da unser Fokus eher auf Services zur Zahlungsabwicklung liegt, kooperieren wir für Content-Funktionen bspw. verstärkt mit Partnern wie Cosmema oder HEIDI – Heimat Digital.
Aber auch unsere eigenen Produkte zielen auf eine umfassende Portallösung, die über reine „Gutscheine“ hinausgeht und als Servicekarte mit zahlreichen Funktionen fungiert. Oberstes Ziel ist es dabei, die lokale Wertschöpfung anzukurbeln und das Leben in der Region zu bereichern.
4. Funktionen
Welche Funktionen bietet Ihre Produktpalette derzeit für Städte und Regionen?
Unsere Produktpalette für Kommunen umfasst mehrere Funktionen, die regionale Wertschöpfung durch lokale Händler und Initiativen unterstützt:
Regionen- und
Stadtgutschein
Ein flexibles Gutscheinsystem, das Guthaben über physische Karten oder QR-Codes zur Verfügung stellt, welches bei teilnehmenden Einzelhändlern, Gastronomen und Dienstleistern eingelöst werden kann. Zusätzlich bietet es Optionen zum Punktesammeln und Spenden, was die regionale Wirtschaft fördert.
Mitarbeitergutscheine
Ein individuell gestaltbares, steuerfreies Sachzuwendungssystem, das auf Wunsch vollständig in das Regional- und Stadtgutschein-Programm integriert wird und besonders zur Unterstützung regionaler Händler und gemeinnütziger Initiativen beiträgt.
Online-Marktplatz
Eine regionale Shopping-Plattform, die lokales Einkaufen und bequemes Online-Shopping vereint und so die lokale Wirtschaft nachhaltig stärkt.
Gutscheine für einzelne Unternehmen
Auf Wunsch zahlreicher Einzelhändler, Hoteliers und Gastronomen bieten wir nun individuelle Hausgutscheine für regionale Unternehmen an, die ihre Kundenbindung stärken möchten – inklusive Zahlungsabwicklung über ein eigenes Terminal.
Bonuspunkte sammeln
Mit jedem Einkauf über den Stadt- oder Regionengutschein können Kunden Bonuspunkte sammeln. Diese lassen sich entweder für zukünftige Einkäufe nutzen oder an lokale Vereine und gemeinnützige Organisationen spenden, was die Verbundenheit mit der Region stärkt.
Als eine besonders aktuelle Innovation kann ich noch die Lizenzen nennen. Mit den Lizenzen machen wir es möglich, Gutscheine gezielt an bestimmte Nutzergruppen, wie Ehrenamtliche oder Besucher von Großveranstaltungen, zu vergeben. Dadurch können die Gutscheine in ihrer Laufzeit, Zielgruppe oder Nutzungsfrequenz begrenzt werden, was ihnen eine zusätzliche Flexibilität verleiht. Mit dieser Erweiterung wird der Gutschein zu einem gezielten Instrument der Regionalentwicklung, das es Betreibern ermöglicht, bestimmte Ereignisse und Themen effektiv zu adressieren und die Attraktivität des Stadtportals weiter zu steigern.
5. Schnittstellen zur Smart City
Welche Schnittstellen sehen Sie von einem Stadtportalsystem wie Awiti zur Smart City?
Ein Stadtportalsystem wie Awiti bietet vielseitige Schnittstellen zur Smart City, vor allem in Bereichen, in denen Bürger interaktive oder transaktionsbasierte Dienste nutzen können. Dazu zählen beispielsweise Anwendungsfälle wie das Bezahlen von Parkgebühren, der Zugang zu öffentlichen Einrichtungen wie Museen und Parks oder die Nutzung des ÖPNV.
Gerade über Gamification-Ansätze, wie Erlebnistouren und Challenges, lässt sich das Nutzerengagement fördern. Denkbar wären auch finanzielle Anreize bei der Teilnahme an bestimmten Aktivitäten oder auch die Verkettung von Ereignissen könnte das Angebot zusätzlich bereichern und das urbane Erlebnis attraktiver gestalten.
Wir danken Ihnen für das inspirierende Interview und freuen uns auf die weitere Entwicklung von Awiti!