Ein zentrales Produkt ist dabei die FRED-App – ein modularer Baukasten, mit dem Kommunen digitale Bürgerservices einfach bereitstellen können, ohne zusätzlichen Aufwand in der Verwaltung zu verursachen.
Bevor sie in die Welt der Smart Cities und Regions wechselte, war Sabine Köhler-Lindig viele Jahre in führenden Positionen im Lokaljournalismus tätig , unter anderem als Chefin vom Dienst beim Gießener Anzeiger. Für ihre journalistischen Beiträge zum Leben in der Stadt und auf dem Land wurde sie mehrfach mit dem Hessischen Journalistenpreis ausgezeichnet.
In ihrer heutigen Rolle verbindet sie ihre kommunikative Expertise mit digitaler Produktentwicklung – mit dem Ziel, die digitale Transformation der Kommunen aktiv mitzugestalten. Das Interview erscheint im Jubiläumsjahr zum zehnten Bestehen des Unternehmens.
1. Kommunale App
Warum sind kommunale Apps aus Ihrer Sicht heute wichtig?
Kommunale Apps sind heute ein zentrales Werkzeug, um Bürger direkt, aktuell und gezielt mit Informationen zu versorgen. In vielen Kommunen dürfen öffentliche Bekanntmachungen inzwischen auch digital – etwa auf Websites oder in Apps – veröffentlicht werden. Damit entsteht für Kommunen die Möglichkeit, Informationen ohne Umwege zu verbreiten. Wichtig ist jedoch, dass diese Inhalte für die Bürger leicht auffindbar sind. Eine App bietet hier einen direkten Zugang, den klassische Printmedien in dieser Form nicht mehr leisten können.
Gerade in kleineren Kommunen spielt die Vereinslandschaft eine große Rolle für das gesellschaftliche Leben. Früher berichteten lokale Zeitungen regelmäßig über Vereinsaktivitäten – vom Schützenverein bis zum Geflügelzuchtverein. Heute ist das kaum noch möglich: Die Zeitungen verlieren Abonnenten, der Umfang schrumpft, und steigende Papierpreise verschärfen die Situation. Vereine brauchen daher neue Wege, um sich zu präsentieren und Mitglieder zu erreichen. Eine kommunale App kann diese Lücke teilweise schließen, indem sie Vereinsnachrichten, Termine und Veranstaltungen sichtbar macht.
Ein weiterer Vorteil liegt in der Unabhängigkeit von kommerziellen Social-Media-Plattformen. Dort ist oft unklar, wie mit Nutzerdaten umgegangen wird. Bei einer kommunalen App, deren Server beispielsweise in Frankfurt am Main stehen, lässt sich genau nachvollziehen, wo und wie Daten gespeichert werden. Zudem nutzen jüngere Generationen Plattformen wie Facebook kaum noch und viele Vereine suchen daher nach alternativen Möglichkeiten für geschlossene oder öffentliche Gruppenkommunikation. Für die Verwaltung bedeutet das gleich doppelt einen Gewinn: Zum einen stärkt die App das gesellschaftliche Leben vor Ort, weil Vereine und Bürger besser miteinander in Kontakt kommen. Zum anderen entlastet sie die Verwaltung selbst – weniger Anfragen, weniger Beschwerden und mehr Transparenz, weil Informationen direkt und zielgerichtet bei den Menschen landen. Damit wird die Kommune als moderne, bürgernahe Organisation wahrgenommen, ohne von großen Plattformen abhängig zu sein.
Die konkrete Ausgestaltung einer solchen App hängt vom Bedarf der Kommune ab – ganz im Sinne des Smart-City-Ansatzes: digitale Lösungen gezielt einsetzen, um bestehende Probleme zu lösen. Die Schwerpunkte können dabei unterschiedlich sein: Unterstützung des lokalen Einzelhandels, Stärkung der Vereinsarbeit, Förderung des Tourismus oder bessere Bürgerkommunikation. Durch modulare Strukturen lassen sich diese Anforderungen individuell umsetzen. Zwar gibt es Überschneidungen zwischen den Kommunen, doch jede braucht letztlich eine passgenaue Lösung, auch wenn sie technisch auf einer White-Label-Basis aufbaut.
2. Geschichte der DISTAMA
Wie hat die Geschichte der DISTAMA in Gießen ihren Anfang genommen?
Die Geschichte der DISTAMA GmbH begann im Jahr 2014 mit der Landesgartenschau in Gießen – einem entscheidenden Momentum für die Entwicklung des Unternehmens. Die Muttergesellschaft Fabrik 19 AG war damals ein junges, kleines Team mit der Kerntechnologie Mobility Suite mos., die bereits im Einzelhandel und Gesundheitswesen eingesetzt wurde.
Die Idee war, diese Technologie erstmals im kommunalen Kontext zu testen. Da Apps für Städte zu dieser Zeit noch kaum ein Thema waren, entstand aus Eigeninitiative die App „Gießen entdecken“. Die Landesgartenschau bot die ideale Bühne, um das Konzept einer breiten Öffentlichkeit vorzustellen. Für Inhalte, Marketing und Vertrieb holte man den Gießener Anzeiger Verlag als Partner ins Boot. Gemeinsam wurde die App bekannt gemacht, und rund zwei Jahre später verzeichnete sie bereits etwa 30.000 Downloads. In enger Abstimmung mit der Stadt Gießen wurde daraus schließlich die offizielle „Giessen App“, die seitdem von DISTAMA betrieben wird.
Von Anfang an setzte man auf ein einfaches, werbefinanziertes Modell: Lokale Unternehmen können für einen geringen monatlichen Betrag Partnerpakete buchen und sich in der App präsentieren. Hauptnutzer sind vor allem Einzelhandel und Gastronomie. Ergänzend gibt es Gutscheinaktionen, den „heimatschatz Giessen“-Gutschein und weitere Rabattmöglichkeiten. Die Zielgruppe wurde über regelmäßige Umfragen ermittelt – im Durchschnitt eine Frau um die 30 Jahre mit akademischem Hintergrund und Kind.
Die Zusammenarbeit mit der Stadt Gießen ist eng und vielfältig. So wurden etwa die von uns entwickelte Online-Terminvereinbarung, Hitzeschutzwarnungen, Katastrophenmeldungen oder das Frauennachttaxi in die App integriert. Inhalte werden nicht nur auf Smartphones angezeigt, sondern auch über zwei öffentliche Infostelen in der Fußgängerzone. Die Stadtwerke sind ebenfalls eingebunden, sodass ein Dreiergespann aus Verwaltung, Stadtwerken und DISTAMA kontinuierlich an neuen Projekten arbeitet.
3. Lösungsportfolio DISTAMA
Wofür steht die DISTAMA GmbH heute?
Mit der Gründung der DISTAMA GmbH, was ursprünglich für „Digitales Stadtmarketing“ steht, haben wir das Modell einer modernen kommunalen App professionalisiert. Heute verstehen wir uns als Partner für Kommunen bei der Umsetzung smarter Projekte mit Schwerpunkt auf mobilen Lösungen. IoT-Integrationen, Dashboards und strategische Beratung zur kommunalen Digitalisierung gehören mittlerweile auch zu unserem Lösungsportfolio.
In zehn Jahren Erfahrung hat sich gezeigt, dass Projekte mit Kommunen Geduld erfordern. Entscheidungsprozesse sind oft lang, Budgets knapp, und der Mehrwert einer App muss klar vermittelt werden. Wenn verstanden wird, dass sie Bürger schneller informiert, die Verwaltung entlastet und Transparenz schafft, steigt die Akzeptanz.
Besonders überzeugend sind Funktionen wie Push-Benachrichtigungen für Rathaus-Meldungen, Veranstaltungskalender, der technisch komplexe, aber stark genutzte Abfallkalender sowie Online-Terminvereinbarungen. Verwaltungsservices sollten möglichst nativ in die App integriert werden, da reine Verlinkungen keinen echten Mehrwert bieten. Eine Hürde bleibt die fehlende Schnittstellenbereitschaft vieler Verwaltungsanwendungen. Nichtsdestotrotz arbeiten wir als DISTAMA daran, so viele Dienste wie möglich direkt in unseren App-Lösungen bereitzustellen.
4. White-Label-Lösung vs. Individuelle App-Projekte
Welche Erfahrungen haben Sie dazu bewegt, eine White-Label-Lösung wie „FRED“ einzuführen, und wie unterscheidet sie sich von individuellen App-Projekten?
Der neue Fokus Richtung White-Label-Apps begann aus der Erfahrung heraus, dass maßgeschneiderte kommunale Apps für viele Städte und Gemeinden oft zu aufwendig und kostenintensiv sind. Individuelle Projekte bringen wertvolle Einblicke in die Bedürfnisse der Kommunen und werden von uns natürlich weiterhin umgesetzt. Dabei begleiten wir den gesamten Prozess – von Anforderungsworkshops über Wireframes und Design bis zur agilen Umsetzung, auch wenn externe Schnittstellen oder neue Integrationen erforderlich sind. Solche Vorhaben sind jedoch kostspielig, langwierig und verlangen den Kommunen sowohl Budget als auch Personalressourcen ab. Gerade kleinere Orte mit 10.000 bis 15.000 Einwohnern verfügen oft über beides nicht, selbst wenn der Wille vorhanden ist.
Aus diesem Grund entstand die Idee einer kommunalen White-Label-Lösung. Die nötige Erfahrung brachten wir bereits aus einem Projekt im Apothekenbereich mit, in dem eine ähnliche Struktur erfolgreich etabliert wurde. Der entscheidende Anstoß kam durch den Kontakt zu unserem Partnerunternehmen Chamaeleon AG aus Montabaur, das hunderte kommunale Websites betreut – in Rheinland-Pfalz nahezu flächendeckend – und deren Kunden häufig auch nach einer App fragten. Aus dieser Partnerschaft entstand „FRED“, eine White-Label-App, die seit August 2024 am Markt ist.
„FRED“ bietet Kommunen eine voll funktionsfähige Basis-App zu geringen Kosten, die optisch und inhaltlich individuell anpassbar ist. Über bestehende Schnittstellen, etwa zum Content-Management-System der Chamaeleon AG, werden Inhalte automatisiert eingespielt, wodurch keine doppelte Pflege nötig ist. Funktionen wie der Abfallkalender oder Mängelmelder sind bereits für viele gängige Anbieter integriert. Die Bereitstellung erfolgt in der Regel innerhalb weniger Tage, nachdem alle Informationen vorliegen. Die App wird im Namen der Kommune in den App-Stores veröffentlicht, was sowohl Marketing- als auch Verwaltungsvorteile bietet.
Der Markt reagiert positiv: Entgegen der anfänglichen Annahme sind es nicht nur Kleinstkommunen, die „FRED“ nachfragen, sondern auch größere Städte, die von dort aus später zu einer Individual-App wechseln können. Der Vorteil liegt in der niedrigen Einstiegshürde bei gleichzeitig hoher Flexibilität für spätere Erweiterungen. Dennoch ist es für uns wichtig, dass jede App zur Identität der Kommune passt – nicht nur im Logo, sondern auch in Farben, Gestaltung und Funktionsumfang.
Das Konzept erlaubt es, wirtschaftlich tragfähige, lokal gebrandete Apps anzubieten, die sich deutlich von generischen Social-Media-Lösungen unterscheiden und gleichzeitig mit geringen Grenzkosten realisiert werden können. So entsteht eine Balance zwischen Effizienz, Wiederverwendbarkeit der Technologie und dem Anspruch der Kommunen, ihre eigene digitale Visitenkarte zu besitzen.
5. Ausblick: KI und mehr Integrationen
Wenn Sie auf die kommenden Jahre blicken – welche Themen und Entwicklungen werden für DISTAMA besonders wichtig sein, und wie möchten Sie diese aktiv gestalten?
In den kommenden Jahren sehen wir Künstliche Intelligenz als zentrales Thema und Hilfsmittel für die Entwicklung unserer Produkte. Sie kann uns unterstützen, zum Beispiel bei automatischen Übersetzungen in mehrsprachigen Apps, was in Städten mit hoher Diversität ein echter Mehrwert ist. Für uns ersetzt KI keine bestehenden Funktionen, sondern ergänzt sie. Gleichzeitig ist es wichtig, Medienkompetenz zu fördern, damit klar ist, was KI leisten kann – und was nicht.
Ein weiterer Schwerpunkt bleibt die Digitalisierung kommunaler Services. Wir wollen Verwaltungsleistungen so einfach und nahtlos wie möglich in Apps integrieren – am liebsten nativ, ohne Umwege über externe Portale. Dafür setzen wir stark auf Partnerschaften mit etablierten Anbietern, um bestehende Lösungen einzubinden, statt sie neu zu entwickeln. Dieses Partner-Ökosystem ist für uns ein Schlüssel, damit Kommunen viele vernetzte Services aus einer Hand erhalten.
Auch das Thema Klimawandel wird uns in den nächsten Jahren verstärkt begleiten. Von Hitze- und Hochwasserschutz bis hin zur Darstellung kühler Orte in Städten. Wir wollen unsere Apps nutzen, um Bürger schnell, lokal und zielgerichtet zu informieren.
Auch die Belebung der Innenstädte ist für uns wichtig. Unsere Apps können Angebote, Aktionen und Touren sichtbar machen, die Menschen wieder in die Stadt locken – etwa durch Eventübersichten, Audioguides oder QR-Code-Stationen. So schaffen wir digitale Zugänge zu analogen Erlebnissen.
Unser Ziel ist es, durch die Verbindung von Technologie, Partnerschaften und kommunaler Identität sowohl große Städte als auch kleine Gemeinden nachhaltig in ihrer digitalen Entwicklung zu unterstützen.
Wir danken Ihnen für das inspirierende Interview und freuen uns auf die weitere Entwicklung der DISTAMA GmbH!

