Titelbild: © Fraunhofer IAO KODIS
Als bundesweit führende Einrichtung unterstützt das Forschungs- und Innovationszentrum KODIS des Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO Kommunen, kommunale Unternehmen sowie privatwirtschaftliche Akteure bei der Entwicklung und Umsetzung von Strategien und digitalen Services rund um das datengestützte Parkraummanagement. Nachfolgend werden Konzepte, Instrumente und konkrete Beispiele aus der Forschungspraxis von KODIS dargestellt, die zeigen, wie Städte und private Flächenanbieter:innen Parkraum effizienter nutzen und darüber Einfluss auf den ruhenden und fließenden Verkehr nehmen können.
Immer mehr Menschen fordern eine gerechtere Aufteilung des öffentlichen Raums, indem beispielsweise Fahrspuren für Pkw zugunsten des Fuß- und Radverkehrs entfallen oder attraktiven Aufenthaltsbereichen weichen. Vor dem Hintergrund des knappen Flächenangebots in Städten rückt der ruhende Verkehr in den Fokus: Für Kommunen stellt sich zunehmend die Frage, wie sie datengestütztes Parkraummanagement für die Verkehrssteuerung nutzen können, um das Pkw-Aufkommen sowie Parksuchverkehre zu reduzieren, das Parken von der Straße in Parkhäuser und an Ortseingänge zu verlagern, den Umstieg auf alternative Verkehrsmittel zu fördern, bestehende Parkflächen effizienter zu nutzen und das Falschparken zu unterbinden.
1. Datengestütztes Parkraummanagement als Gestaltungsinstrument
Kommunen sollten datengestütztes Parkraummanagement als Gestaltungsinstrument begreifen und ganzheitlich betrachten.
Parkraummanagement ist weitaus mehr als einzig und allein die Bereitstellung von Parkraum. Immer mehr Kommunen begreifen es als ein Gestaltungsinstrument, mithilfe dessen sie die Parkraumnutzung zeitlich oder räumlich durch bauliche, organisatorische und verkehrsrechtliche Maßnahmen beeinflussen können. Ansatzpunkte sind beispielsweise die Herstellung und der Rückbau von Stellplätzen, die Beeinflussung des Fahrverhaltens durch kollektive Parkleitsysteme, die Nutzungswidmung von Parkraum für bestimmte Fahrzeuge und Nutzergruppen (z.B. Bewohner:innnen, Menschen mit Behinderung, Lieferfahrzeuge) oder die Erhöhung der Umschlagszahlen auf Stellplätzen durch Regulierung der Parkdauer und/oder Bepreisung des Parkvorgangs (vgl. FIS 2019 und Fraunhofer IAO 2019).
In den vergangenen Jahren hat KODIS Städte und Gemeinden bei der Entwicklung und Umsetzung von ganzheitlichen Parkraummanagementkonzepten begleitet. Für diese stellt sich zunehmend die Frage, welche Chancen und Herausforderungen digitale Park-Technologien und -Services bieten und wie Daten mehrwertstiftend für das kommunale Parkraummanagement genutzt werden können. Mit den Pilotprojekten „Automatisierte Parkdruckerfassung via Luft- und Satellitenbildern“ und „Kommunales Dashboard zur Analyse von Park- und Verkehrsdaten“ entwickelt und erprobt KODIS prototypische Cloud-Services, mithilfe derer Kommunen und private Parkflächenanbieter:innen eigenständig Datenanalysen durchführen können:
Beispiel: Automatisierte Parkdruckerfassung
via Luft- und Satellitenbildern
In Wohngebieten, in welchen das Parken am Straßenrand gestattet ist, können Kommunen Gebiete ausweisen, in welchen die Bewohner:innen Parkvorrechte genießen. Dies ist allerdings nur möglich, wenn hoher Parkdruck besteht, sodass Anwohner:innen regelmäßig keine ausreichende Möglichkeit haben, in zumutbarer Entfernung von ihrer Wohnung einen Stellplatz zu finden. Die Ermittlung des Parkdrucks erfolgt meist durch die Kommunen selbst oder über Aufträge an Ingenieurbüros. Aus Befragungen von mehreren Kommunen und Ingenieurbüros wissen wir, dass die Zählungen bisher manuell durchgeführt werden. Konkret bedeutet das, dass Mitarbeiter:innen die zu prüfenden Straßen zu verschiedenen Tageszeiten und möglicherweise auch an mehreren Tagen ablaufen, um die geparkten Kfz schriftlich oder digital zu notieren. Dies ist mit großem Aufwand verbunden.
Um den Aufwand zu verringern, hat KODIS einen Algorithmus entwickelt, der anhand von Luftbildern die am Straßenrand geparkten Kfz erkennt und zählt. Mittelfristig wird auch eine prototypische cloudbasierte Lösung entwickelt, um das Ergebnis direkt in ein interaktives Dashboard zu integrieren. Kommunen oder Ingenieurbüros können so zukünftig durch Luftbilder von Satelliten, Drohnen oder Überfliegungen genaue Informationen über den Parkdruck im öffentlichen Straßenraum erlangen. Umfassende Informationen zur on-Street Parkplatzbelegung verbessern die Entscheidungsgrundlagen und so den Handlungsspielraum der Stadtverwaltungen.
Weitere Informationen
→ Mit KI den Parkdruck auf der Straße messen
→ Analyse Straßenparken
Beispiel: Kommunales Dashboard zur Analyse
von Park- und Verkehrsdaten
Eine Möglichkeit datengestützt den städtischen Parkraum zu analysieren kann ein Dashboard bieten, das unterschiedliche Park- und Verkehrsdaten visualisieren und so in Zusammenhang miteinander bringen kann. Neben der reinen Visualisierung können anschließend automatisierte Datenanalysen, auch unter dem Einsatz von KI- und Machine Learning Methoden, durchgeführt werden. So können Interpretationshilfen bereitgestellt werden und bei Entscheidungsprozessen unterstützen. Der von KODIS entwickelte Prototyp wird zu einem cloudbasierten Analyse-Service weiterentwickelt, in dem Kommunen und weitere Akteure Ihre Daten visualisieren, analysieren und mit zusätzlichen Datenquellen anreichern können.
In dem hier gezeigten Beispiel wird visualisiert, wie viele Parkvorgänge (Balken) auf einzelnen Parkflächen (orange markiert) durchgeführt wurden. Hierdurch können beispielsweise die Folgen einer Parkraumbewirtschaftung oder von Baumaßnahmen evaluiert werden. Die hierzu notwendigen Daten können in Kommunen bereits vorliegen, öffentlich verfügbar sein oder durch privatwirtschaftliche Unternehmen bereitgestellt werden.

Weitere Informationen
→ Prototyp zur Analyse kommunaler Daten für das Parkraummanagement
2. Bestehende Datenbestände nutzen
Städte und Gemeinden verfügen schon heute über wertvolle Datenbestände und könnten diese noch deutlich effektiver für das Parkraummanagement nutzen.
Daten bilden die Grundlage eines datengestützten Parkraummanagements, werden in Kommunen bislang aber wenig systematisch genutzt. Insbesondere im Kontext der Digitalisierung werden perspektivisch immer mehr Daten dazu kommen, mithilfe derer Städte und Gemeinden eine bedarfsorientiertere Angebotssteuerung, Parkraumbewirtschaftung sowie verbesserte Informations- und Leitsysteme betreiben können.
Beispielsweise könnte der Gemeindevollzugsdienst Daten zu Parkverstößen, Tickets der Parkraumbewirtschaftung und Unfällen im Straßenverkehr heranziehen, um „Hot Spots“ des ruhenden Verkehrs und Gefahrenpotenziale zu identifizieren und effektivere Kontrollen durchzuführen. Mittels Verkehrssimulationen könnten mögliche Auswirkungen von Parkraummanagementmaßnahmen, wie z.B. die Ausweitung der Parkraumbewirtschaftung oder Reduktion von On-street-Parkplätzen, bereits im Vorfeld der Umsetzung abgeschätzt werden und die Akzeptanz in der Politik und Bevölkerung erhöhen. Für die (Echtzeit-)Verkehrssteuerung helfen Mobilitäts-Apps, die die Routenplanung unter Einbeziehung sämtlicher Mobilitätsangebote und durch eine verbesserte Informationsbereitstellung für Endnutzer:innen optimieren und im besten Fall die Verkehrsmittelwahl zugunsten des Umweltverbunds beeinflussen.
Um einen Überblick über vorhandene und künftig anfallende Datenbestände zu erhalten, hat KODIS mit der Stadt Ludwigsburg ein Datenmodell für das kommunale Parkraummanagement erarbeitet:
Beispiel: Datenmodell für das kommunale
Parkraummanagement Ludwigsburg
Als Vorreiterkommune beabsichtigt die Stadt Ludwigsburg, die Instrumente des datengestützten Parkraummanagements verstärkt zum Erreichen verkehrs-, stadtentwicklungs-, umwelt- und wirtschaftspolitischer Ziele zu nutzen. Zur Strukturierung kommunaler Daten wurde in einem gemeinsamen Projekt ein Datenmodell für das Parkraummanagement erarbeitet. Dieses gibt Auskunft über bereits vorhandene und künftig anfallende Datenbestände der Kommune, zeigt die Datenanbindung und das Zusammenspiel verschiedener (Verkehrs-)Systeme auf, spricht Empfehlungen für das kommunale, datengestützte Parkraummanagement aus und beleuchtet Datennutzungspotenziale. Auf Grundlage des Datenmodells und weiterer Maßnahmen soll die Datennutzung in Ludwigsburg künftig optimiert werden.
3. Kreative und innovative Strategien zur Parkflächennutzung
Kommunen und Parkraumbetreiber sind gefordert, kreative und innovative Strategien zur Nutzung von Parkflächen zu entwickeln.
Neben der Nutzbarmachung kommunaler Daten und dem Aufbau der dafür notwendigen IT-Infrastrukturen braucht es außerdem flexible Konzepte und ein auslastungsorientiertes Flächenmanagement für Stellplätze. Kommunen und Parkraumbetreiber:innen setzen künftig u.a. auf „Urban Hubs“, „Mobility Hubs“ oder „Mobilitätshäuser“ – Begriffe dafür gibt es viele, die im Grunde genommen dasselbe meinen: Eine Weiterentwicklung von Parkhäusern und Parkplätzen zu Drehscheiben für innovative und intermodale Mobilität an zentralen Verkehrsknotenpunkten einer Stadt, die das Stellplatzangebot um Mobilitäts- und Zusatzdienste erweitern (vgl. Bautechnik 2021).
Im Pilotprojekt „Park_up“ hat das Fraunhofer IAO ein Konzept zur temporären Nutzung von Stellplätzen in Parkhäusern für die Innenstadtlogistik erprobt:
Beispiel: Park_up: Temporäre Nutzung
von Stellplätzen in Parkhäusern für die Innenstadtlogistik
Innovative und nachhaltige Stadtlogistik braucht Platz. Dabei geht es nicht nur um Flächen für das Abstellen von Fahrzeugen, sondern auch um Parkflächen, an denen Sendungen von größeren auf kleinere Fahrzeuge, wie zum Beispiel Lastenräder, umgeschlagen und neu sortiert werden können. Diese Flächen sind jedoch in urbanen Räumen kaum verfügbar oder so teuer, dass Logistikunternehmen sich die Anmietung nicht leisten können. Gleichzeitig gibt es in innenstadtnahen Parkhäusern Stellflächen, die zu Zeiten, in denen Logistiker aktiv sind, nicht voll ausgelastet sind.
Hier setzt die Idee von Park_up an. Gemeinsam mit den beiden Unternehmen veloCARRIER und evopark hat Fraunhofer IAO ein Modell entwickelt, mit dem öffentlich zugängliche Stellplätze temporär für Logistikzwecke angemietet werden können. Ein Display an der Parkfläche signalisiert dem Autoverkehr, dass ein Platz gebucht ist. Außerdem liegt dem Projektansatz ein flexibles und dynamisches Preissystem zugrunde, welches neben der Belegung weitere Faktoren, wie zum Beispiel die allgemeine Verkehrslage berücksichtigt. Mit Park_up ist somit erstmals ein konzeptioneller Ansatz entwickelt und erprobt, der eine bedarfsorientierte Nutzung von Parkplätzen für eine nachhaltige Innenstadtlogistik ermöglicht.
Weitere Informationen
→ Temporäre Nutzung von Stellplätzen in Parkhäusern für Innenstadtlogistik
4. Erweiterung des kommunalen
Parkraums um private Parkflächen
Neben der Parkraumbewirtschaftung, also der Kontrolle und Bepreisung von Parkflächen im öffentlichen Raum, kommt es zunehmend zur Vermarktung von Stellplätzen auf Privatgelände. Insbesondere in Ballungszentren großer deutscher Städte ist dieser Trend zu beobachten. Eine Untersuchung von KODIS hat ergeben, dass europaweit bereits Aktivitäten zu finden sind, bei denen Flächen von Hotels, Kinos und Supermarktketten an Parkplatzsuchende vermietet werden. Im Stundentarif oder auch als dauerhafte Stellplatzalternative. In England haben sich Anfang 2020 beispielsweise Morrisons und Tesco an die Vermarktung von Parkflächen an Nichtkunden gewagt.
Der Kundenzugang erfolgt meist über einen Intermediär, eine App, welche die Buchung der Stellflächen ermöglicht und die Abrechnung erleichtert. Nur die Parkraumkontrolle stellt sich bei nicht überwachten Flächen oft als schwierig heraus.
Der Trend zur Vermietung privater Flächen dürfte auch in den nächsten Jahren anhalten, da Stellplätze in Großstädten reduziert und die Preise für Bewohnerparkausweise steigen. Zur Erinnerung: Seit Oktober 2020 sind Landesregierungen ermächtigt Gebührenordnungen für Bewohnerparkausweise anzupassen. In vielen Fällen wird die neue Preisfindung den Kommunen selbst überlassen. In Tübingen stehen so, anstatt der bisher fälligen 30 Euro, 360 Euro pro Jahr im Raum. Andere Städte haben ebenfalls bereits Preiserhöhungen angekündigt.
Insgesamt steigt somit, insbesondere in dicht besiedelten Gebieten mit öffentlichem Stellplatzmangel, der monetäre Anreiz für die Vermarktung von großflächigen privaten Flächen. Neue Sensor- und Kameratechnologien werden diesen Trend voraussichtlich noch beschleunigen. Für mehr Informationen setzen Sie sich gerne mit uns in Verbindung.
Kontakt
M.Sc. Philipp Christel
Telefon: 0711 970-5258
Mail:
5. Lesetipps
Kommunalen Parkraum datengestützt managen
Prochazka, Veronika; Handrich, Melanie; Bernd Bienzeisler (2021): Kommunalen Parkraum datengestützt managen. Erfahrungen, Erkenntnisse und Handlungsempfehlungen. Fraunhofer IAO. urn:nbn:de:0011-n-6307267
Das Parkhaus der Zukunft als vernetzter „Urban Hub“
Handrich, M.; Merkle, S.; Christ, N.; Bienzeisler, B. (2021) Das Parkhaus der Zukunft als vernetzter „Urban Hub“. Bautechnik.
Die digitale Transformation des städtischen Parkens
Bienzeisler, Bernd; Bengel, Steffen; Handrich, Melanie; Martinetz, Simone (2019): Die digitale Transformation des städtischen Parkens. Eine Analyse der Veränderung des kommunalen Parkraummanagements vor dem Hintergrund der Herausforderungen einer Verkehrswende. Fraunhofer IAO. urn:nbn:de:0011-n-5381331