Dienstag, 17. Juni 2025
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Einladung zum Webinar „Digitale Werkzeuge zur kommunalen Klimaanpassung“ am 17. Juni

Hiermit laden wir Sie herzlich zu unserer interkommunalen Austauschrunde über Herausforderungen und Lösungen aus der Praxis der digitalen kommunalen Klimaanpassung ein.

StartDigitaler Zwilling der StadtDigitale Urbane Zwillinge Teil 2: Immersive Medien – Fallbeispiele und Perspektiven

Digitale Urbane Zwillinge Teil 2: Immersive Medien – Fallbeispiele und Perspektiven

Titelbild: © kit8
Autor: Mario Hupka


In Teil 1 dieses Artikels ging es um die Grundlagen und Definitionen eines digitalen (urbanen) Zwillings. In Teil 2 erfahren Sie nun, wie immersive Medien dieses Konzept in eine neue Dimension heben.

Digitale Urbane Zwillinge (Digital Urban Twins) in Verbindung mit immersiven Medien bieten großes Potenzial für Stadtplanung, Mobilität, Klimaanpassung und Bürgerbeteiligung. Durch die Kombination realer Daten mit Virtual Reality (VR), Augmented Reality (AR) oder Mixed Reality (MR) lassen sich städtische Prozesse anschaulich und interaktiv darstellen. Die Wahl der Technologie richtet sich dabei stets nach dem konkreten Anwendungsfall.

1. Immersive Medien: AR, VR und MR

AR, VR und MR sind verwandte, aber unterschiedliche Konzepte. In der Fachliteratur werden sie oft synonym verwendet – besonders AR und MR. Für eine gezielte Anwendung ist eine genaue Unterscheidung erforderlich [15].

Das sogenannte Reality-Virtuality-Kontinuum ordnet diese Technologien zwischen realer Welt und vollständiger Virtualität ein. Während AR die Realität durch digitale Inhalte ergänzt, ersetzt VR sie vollständig. MR kombiniert beide Welten, wobei reale und virtuelle Elemente in Echtzeit interagieren. Erweiterungen wie Modified Reality und Diminished Reality zeigen zusätzliche Abstufungen durch gezielte Veränderungen oder Ausblendungen realer Inhalte.

Abb. 1 – Reality-Virtuality-Kontinuum und Ausprägungsformen der Realitätsmodifikationen. Eigene Darstellung.

Virtual Reality (VR)

VR beschreibt die vollständige Immersion in eine künstlich erzeugte Umgebung [15]. Nutzer:innen tragen Head-Mounted Displays (HMD), um visuelle und auditive Reize wahrzunehmen. Moderne Geräte wie die Meta Quest 3 (2023) arbeiten bereits als autarke Systeme ohne Verbindung zu einem PC.

Augmented Reality (AR)

AR erweitert die reale Welt durch digitale Inhalte – etwa in Apps wie „Pokémon Go“, die standortbasierte digitale Objekte in der Umgebung einblenden [16]. AR kommt häufig auf Smartphones oder Tablets zum Einsatz, ist leicht zugänglich und eignet sich gut für öffentliche Beteiligung.

Mixed Reality (MR)

MR geht über AR hinaus und integriert reale und virtuelle Objekte zu interaktiven Szenarien [17, 18]. Ziel ist die bidirektionale Verbindung: digitale Elemente reagieren auf reale Umgebung und umgekehrt. Das schafft eine hybride Umgebung mit hohem Anwendungspotenzial in Planung und Bildung [15].

2. Potenziale und Herausforderungen

Vorteile immersiver Urban Twins

Immersive Medien stärken vor allem die Bürger:innenbeteiligung. Während klassische Planungen schwer zugänglich sind, machen VR und AR urbane Entwicklungen greifbar. Nutzer:innen können geplante Räume begehen oder Infrastrukturmaßnahmen live erleben.

Darüber hinaus ermöglichen simulationsbasierte Werkzeuge die Vorhersage klimatischer Effekte, Verkehrsverhalten oder städtischer Veränderungen. Szenarien wie Hochwasser, Hitzebelastung oder neue Verkehrsführungen können getestet und verständlich dargestellt werden.

Zusammengefasst:

  • Bürgerbeteiligung: Geplante Projekte werden durch immersive Medien transparenter und erlebbarer.
  • Planungsprozesse: Simulationen ermöglichen präzisere Entscheidungen.
  • Nachhaltigkeit: Klimafolgen lassen sich vorab testen und Gegenmaßnahmen optimieren.
  • Verwaltungsentscheidungen: Komplexe Inhalte können verständlich vermittelt werden.

Herausforderungen

Ein Hauptproblem bleibt die Datenintegration: Die Vielzahl an Datenquellen muss standardisiert und interoperabel gemacht werden. Zugleich gelten hohe Anforderungen an Datenschutz und IT-Sicherheit, da viele Informationen sensibel sind.

Auch technologische und finanzielle Hürden erschweren die Umsetzung. Entwicklung und Betrieb immersiver Anwendungen erfordern erhebliche Investitionen. Dazu kommen Ansprüche an Usability: Die Technologien müssen intuitiv bedienbar und für verschiedene Zielgruppen verständlich sein.

Konkret:

  • Interoperabilität: Datenformate, Schnittstellen und Standards müssen abgestimmt sein.
  • Datenschutz: Stadtmodelle enthalten personenbezogene und kritische Informationen.
  • Kosten: Hardware, Software und Schulungen erfordern hohe Anfangsinvestitionen.
  • Akzeptanz: Technologien müssen niederschwellig und nutzerfreundlich gestaltet sein.

3. Anwendungsbeispiele

Connected Urban Twins (CUT)

Das Projekt CUT (seit 2021) vernetzt Hamburg, Leipzig und München in der Entwicklung urbaner Datenplattformen und digitaler Zwillinge [11]. Fokus liegt auf VR-gestützter Stadtplanung. Ein Beispiel: Der von der Hamburg Port Authority entwickelte VR-Prototyp simuliert Verkehrsflüsse und Lichtwirkungen geplanter Gebäude.

Stuttgart: VR in der Stadtentwicklung

In Stuttgart wird VR aktiv eingesetzt – etwa im Projekt „Inspirer“, das Bürger:innen durch interaktive 3D-Visualisierungen in Planungen einbindet [19]. Das HLRS visualisiert Verkehrsanalysen und Bauvorhaben mithilfe digitaler Zwillinge [20].

Ein Highlight ist das „Omnideck“ der Uni Stuttgart: Ein omnidirektionales Laufband erlaubt virtuelle Begehungen städtischer Räume [21]. Solche Technologien fördern Transparenz und Beteiligung.

Klimaanpassung mit Urbanen Digitalen Zwillingen

Das BMBF fördert seit 2024 modulare UDZ zur Unterstützung der Klimaanpassung [22, 23]. Diese Systeme ermöglichen simulationsbasierte Planung: z. B. zur Analyse von Hitzeinseln, Überflutungsgefahren oder Effekten von Begrünung. Ziel ist es, Planungsprozesse verständlicher und zielgerichteter zu gestalten.

TwinBy

Das vom Bayerischen Digitalministerium gestartete Projekt TwinBy unterstützt Kommunen beim Aufbau digitaler Zwillinge. Ziel war eine offene, interoperable Infrastruktur basierend auf der SDDI der TU München. Beratung, Standardisierung und Schulung kommunaler Akteure standen im Fokus.

Trotz fehlender übergeordneter Standards wurden offene Schnittstellen und Metadatenkataloge geschaffen. Auch wenn VR/AR noch im Anfangsstadium waren, wurde deren Potenzial für Bürgerbeteiligung hervorgehoben. TwinBy war zudem eng mit CUT und anderen Landesinitiativen vernetzt. Künftig könnten Open-Source-Ansätze wie MPSC Abhilfe schaffen.

4. Fazit und Ausblick

Digitale Zwillinge in Kombination mit immersiven Medien verändern Stadtentwicklung grundlegend. Sie machen komplexe Prozesse sichtbar, ermöglichen neue Formen der Bürgerbeteiligung und verbessern die Datenlage für Verwaltung und Politik.

Ob Verkehrssteuerung, Klimaanpassung oder Bauplanung – digitale Zwillinge eröffnen Möglichkeiten für nachhaltige, datenbasierte Entscheidungen. Die Integration immersiver Medien verstärkt diesen Effekt zusätzlich, indem sie abstrakte Prozesse greifbar und erlebbar macht.

5. Checkliste für Kommunen: Einführung eines digitalen Zwillings

  • Bedarfsanalyse
    Welche städtischen Herausforderungen sollen adressiert werden?
  • Daten & Interoperabilität
    Welche Quellen existieren, welche Schnittstellen werden benötigt?
  • Technik & Sicherheit
    Welche Software/Hardware ist vorhanden? Wie wird Datenschutz gewährleistet?
  • Finanzierung
    Welche Fördermittel können beantragt werden? Wie ist der langfristige Betrieb gesichert?
  • Bürgerbeteiligung
    Wie können VR/AR-Angebote zur Partizipation genutzt werden?
  • Skalierbarkeit
    Ist das System modular und auf andere Städte übertragbar?

Literaturverzeichnis

[15 ] Miriam Mulders and Josef Buchner. 2020. Lernen in immersiven virtuellen Welten aus der Perspektive der Mediendidaktik. Medienimpulse 58 (06 2020), 1–23. https://doi.org/10.21243/mi-02-20-22

[16] Shubham Jain and Dirk Werth. 2019. Current State of Mixed Reality Technology for Digital Retail: A Literature Review. In HCI in Business, Government and Organizations. eCommerce and Consumer Behavior, Fiona Fui-Hoon Nah and Keng Siau (Eds.). Springer International Publishing, Cham, 22–37.

[17] Somaiieh Rokhsaritalemi, Abolghasem Sadeghi-Niaraki, and Soo-Mi Choi. 2020. A Review on Mixed Reality: Current Trends, Challenges and Prospects. Applied Sciences 10, 2 (2020). https://doi.org/10.3390/app10020636

[18] Steve Chi-Yin Yuen, Gallayanee Yaoyuneyong, and Erik Johnson. 2011. Aug- mented Reality: An Overview and Five Directions for AR in Education. Journal of Educational Technology Development and Exchange 4, 1 (2011), 119–140. https://aquila.usm.edu/cgi/viewcontent.cgi?article=1022&context=jetde

[19] Hochschule für Technik Stuttgart, „Projekt INSPIRER will Bürgerinnen in der Stadtplanung beteiligen mit 3D und virtueller Realität,“ Feb. 1, 2024. [Online]. Available: https://www.hft-stuttgart.com/research/news/projekt-inspirer-will-buergerinnen-in-der-stadtplanung-beteiligen-mit-3-d-und-virtueller-realitaet. [Accessed: Mar. 1, 2025].

[20] Höchstleistungsrechenzentrum Stuttgart (HLRS), „City Planning and Urban Digital Twins.“ [Online]. Available: https://www.hlrs.de/solutions/types-of-computing/visualization/city-planning-urban-digital-twins. [Accessed: Feb. 13, 2025].

[21] Universität Stuttgart, „Omnideck makes virtual reality studies boundless,“ Nov. 6, 2024. [Online]. Available: https://www.uni-stuttgart.de/en/university/news/all/Omnideck-makes-virtual-reality-studies-boundless/. [Accessed: Feb. 20, 2025].

[22] Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF), „BMBF startet neue Fördermaßnahme für eine effizientere Klimaanpassung mit Urbanen Digitalen Zwillingen,“ Feb. 21, 2024. [Online]. Available: https://www.fona.de/de/bmbf-startet-neue-foerdermassnahme-fuer-eine-effizientere-klimaanpassung. [Accessed: Feb. 19, 2025].

[23] Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF), „Bekanntmachung: Planungsbeschleunigung für die Klimaanpassung mit Urbanen Digitalen Zwillingen,“ Feb. 13, 2024. [Online]. Available: https://www.bmbf.de/SharedDocs/Bekanntmachungen/DE/2024/02/2024-02-13-Bekanntmachung-Klimaanpassung.html. [Accessed: Mar. 5, 2025].

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