Samstag, 7. Dezember 2024
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Weiterbildungsprogramm „Digital Twins für Städte“ für kommunale Mitarbeiter:innen

Die Technische Universität München startet im Februar 2025 das Zertifikatsprogramm „Digital Twins für Städte“. Es vermittelt, wie städtische Daten in virtuelle Modelle übersetzt und als Planungsinstrument in Mobilität, Umwelt und Wohnen eingesetzt werden können.

StartKünstliche IntelligenzGenerative Künstliche Intelligenz in der Stadtentwicklung – Teil 1

Generative Künstliche Intelligenz in der Stadtentwicklung – Teil 1

Titelbild: KI-generiert via DALL·E 2

Seit der Veröffentlichung der Anwendung ChatGPT 3.5 Ende des vergangenen Jahres bestimmt die transformative Kraft von Künstlicher Intelligenz (KI) in sämtlichen Bereichen unserer Gesellschaft und Wirtschaft die Diskussionen. Entsprechend befassen sich zahlreiche Stadtverwaltungen, Unternehmen, die stadtrelevante Lösungen und Produkte anbieten sowie Stadtforscher:innen intensiv mit den vielschichtigen Potenzialen und Risiken von KI auseinander. Doch mittlerweile treten zunehmend auch solche Projekte und Lösungen zum Vorschein, die explizit Generative KI im städtischen Kontext anwenden. In diesem Artikel versuche ich, die Diskussion stärker auf diese neu aufkommenden Use Cases zu richten.

1. KI in der Stadtentwicklung

KI-gesteuerte Chatbots und Analysewerkzeuge unterstützen in der Kommunikation zwischen Bürger:innen und Stadtverwaltungen, indem sie sowohl den Informationsaustausch erleichtern als auch das Feedbackmanagement bei Großprojekten optimieren. Im Bereich der Bilderkennung im öffentlichen Raum tragen KI-Technologien zur Verbesserung und Sicherheit des städtischen Lebens bei, sei es durch das Monitoring korrekt geparkter E-Scooter oder durch die Analyse von Bewegungsmustern als Basis für effizientere und bedarfsgerechtere Verkehrssteuerung bzw. -management-

Die Analyse und Auswertung von Geodaten profitiert ebenfalls von KI-Technologien. Drohnen und neuronale Netzwerke ermöglichen detaillierte Überwachungen des städtischen Baumbestands. Im Energie- und Wassermanagement unterstützen KI-Systeme effiziente Verbrauchsstrategien und ermöglichen nachhaltige Bewässerungspläne. Beispielhafte Projekte für die eben vorgestellten Anwendungsfälle finden sich nachfolgend:

Diese Liste bildet lediglich einen Ausschnitt von möglichen Anwendungsfällen von KI im städtischen Kontext. In den vergangenen Jahren haben Expert:innen bereits mehrere Publikationen verfasst, in denen diese Anwendungsfälle anhand von Praxisbeispielen vorgestellt werden (siehe 4. Weitere Ressourcen).

Die jüngsten Fortschritte in der Generativen KI setzen neue Maßstäbe in der Technologiewelt. Während die traditionelle KI in erster Linie darauf trainiert ist, Muster in Daten zu erkennen und darauf zu reagieren, hebt die Generative KI die Datenverarbeitung auf eine neue Ebene, indem sie die Schaffung völlig neuer Daten ermöglicht. Dies übertrifft bei weitem die konventionellen KI-Ansätze zur Vorhersage und Klassifikation. Ein zentrales Charakteristikum der Generativen KI ist ihre beeindruckende Fähigkeit, Daten zu schaffen, die sich kaum von der Realität unterscheiden. Mit fortschrittlichen Techniken, wie den Generative Adversarial Networks (GANs), können beispielsweise Bilder generiert werden, die trotz ihrer künstlichen Herkunft täuschend echt wirken.

© Erklärvideo der Plattform Lernende Systeme (CC BY-NC-ND 3.0 DE), einer BMBF-geförderten Initiative zum interdisziplinären Austausch über lernende Systeme

In Bezug auf den urbanen Raum könnten solche Innovationen bedeuten, dass Stadtplaner:innen und Architekt:innen durch die Generative KI in der Lage sind, visionäre städtische Konzepte zu entwickeln, die auf einer Mischung aus historischer Datenbasis, aktuellen Trends und zukünftigen Prognosen fußen. Das Simulieren unterschiedlichster Szenarien für den Städtebau, die Infrastruktur und die Verkehrsplanung wird in einem Tempo möglich, das vorher undenkbar war. Innerhalb des Städtebaus eröffnet die Generative KI damit gänzlich neue Horizonte in Sachen Datenmodellierung und -generierung.

Doch dies scheint lediglich die Spitze des Eisbergs zu sein. Welche revolutionären Möglichkeiten könnten in anderen Aspekten der Stadtentwicklung entstehen? In dieser Artikelreihe sollen die schrittweise zum Vorschein kommenden Anwendungsfälle Generativer KI thematisiert werden.

2. Generative KI in der Beteiligung

Ein beeindruckendes Potenzial von Generativer KI entfaltet sich in der Fähigkeit, Informationen extrem schnell verarbeiten, semantisch durchdringen und in einer gewünschten neuen Form aufbereiten zu können. Angewendet auf große Textkorpora, kann diese Fähigkeit die Qualität stadtpolitischer Diskussionen deutlich aufwerten. Schließlich kennzeichnen sich Entscheidungsprozesse in der Stadtentwicklung durch die Beteiligung zahlreicher Stakeholder und erfordern vom entsprechenden Moderator eine massenhafte Informationsverarbeitung.

Im Austausch mit unserem Partner Go Vocal haben wir einige Erkenntnisse über die Potenziale Generativer KI für Beteiligungsprozesse erfahren. Der Lösungsanbieter implementiert bereits seit Längerem KI-Algorithmen, um die Nutzung seiner Bürgerbeteiligungsplattform für Stadtverwaltungen effizienter gestalten zu können, so dass diese großen Textmengen von Beteiligungsbeiträgen zusammengefasst und strukturiert werden können.

Mit dem Aufkommen von Generativer KI experimentiert das belgische Civic-Tech-Unternehmen nun proaktiv mit dessen Einsatzszenarien in Sachen digitale Beteiligung. Durch die Entwicklung und Testierung neuer Funktionen, könnten die von Bürger:innen bereitgestellten Informationen und Meinungen über geplante Stadtentwicklungsvorhaben in Zukunft mit einem viel tieferen Verständnis vorgruppiert werden.

Mithilfe von „Magic Tags“ könnten die erhaltenen Informationen auf der Grundlage von Schlüsselwörtern, Meinungen und Themen systematisiert werden. Noch faszinierender ist, dass derartige Funktionen den lokalen Beteiligungsmanager:innen ermöglichen könnten, Fragen an die Gesamtheit der Beteiligungsbeiträge zu stellen. Bei einem konkreten Stadtentwicklungsprojekt würde dies beispielsweise bedeuten, dass die lokalen Behörden fragen könnten: „Warum lehnen die Menschen das neue Einkaufszentrumprojekt ab?“

  • Qualitative Auswertung von Beteiligungsbeiträgen: Mittels NLP gelingt es, die tiefere Bedeutung und den Kontext hinter jedem Beitrag zu verstehen, relevante Kategorien zu bestimmen und Empfehlungen für Schlagwörter zu geben. Dadurch kann eine effiziente Verarbeitung von Texteingaben erfolgen. Durch diese Vorstrukturierung kann die visuelle Darstellung von Themenschwerpunkten schnell erkennen lassen, worüber die Menschen diskutieren. Trends, Veränderungen und Lücken in laufenden Projekten können so schnell identifiziert und kommuniziert werden.
  • Vermeidung von Voreingenommenheit bei der Datensortierung: Anstelle einer vordefinierten Liste von Kategorien können sich die Beteiligungsverantwortlichen auf die tatsächlichen Prioritäten der Bürger:innen konzentrieren, was das Risiko von Voreingenommenheit durch die Designer:innen des Beteiligungsprozesses reduziert.

In der aktuellen frühen Entwicklungsphase berichtet das Unternehmen auch über seine Lernkurve in Bezug auf die Implementierung von Generativer KI in der Bürgerbeteiligung wie folgt. 

Zum einen muss die Vertrauenswürdigkeit von KI-generierten Inhalten sichergestellt werden und daher ist es wichtig, die von KI bereitgestellten Informationen überprüfen zu können. Jede KI-generierte Zusammenfassung sollte daher entsprechende Nachweise aus den originalen Beteiligungsbeiträgen ermöglichen. 

Ein weiterer Aspekt ist die Vertraulichkeit von sensiblen Informationen. Da der Einsatz Generativer KI eine Zusammenarbeit mit Drittdienstleistern für KI-Modelle erfordert, ist es von entscheidender Bedeutung, den Datenschutz für sensible (personalisierte) Daten zu gewährleisten. Dies sollte durch die Anonymisierung von Datenbeständen erfolgen, in dem Identifikatoren durch Platzhalter ersetzt oder gänzlich entfernt werden.

3. Generative KI in der Abfrage urbaner Daten

Die digitale Erfassung von Stadträumen generiert heutzutage bereits immense Datenmengen. Diese Daten werden in unterschiedlichen Anwendungsfällen mithilfe von künstlicher Intelligenz automatisiert klassifiziert und zu wertvollen Informationen verarbeitet. Mit dem Aufkommen der Generativen KI zeichnet sich eine neue Dimension von Möglichkeiten ab, wie urbane Daten abgefragt und bedarfsgerecht ausgespielt werden können. Diese neuen Möglichkeiten, die das Potenzial haben, die Art und Weise, wie Städte und Organisationen urbane Daten nutzen und interpretieren, grundlegend zu verändern, werden bereits in verschiedenen Anwendungsfällen erprobt.

In diesem Kontext bietet sich der Hinweis an, dass OpenAI am 10. Juli 2023 den „Code Interpreter“, ein neues Tool für ChatGPT veröffentlichte. Dieses Tool ermöglicht es dem System, nicht nur Code zu generieren, sondern ihn auch auszuführen. Mit dieser Funktion können Benutzer:innen quasi direkt Fragen an die Daten stellen. Entsprechend ist in den letzten Wochen auch eine verstärkte Auswertung von urbanen Daten wahrnehmbar wie dieser LinkedIn-Beitrag zeigt:

Unearth AI, ein Unternehmen mit Sitz in San Francisco, Kalifornien, das auf moderne, durch KI gestützte Ortungslösungen spezialisiert ist und sich für die Demokratisierung der Arbeit mit geografischen Daten einsetzt, hat Unearth Lite ins Leben gerufen. Dieser ChatGPT-angetriebene Ortungsdaten-Explorer ist auf einem offenen Points of Interest (POI)-Datensatz aufgebaut, der kürzlich von Microsoft, Meta, Amazon und TomTom unter dem Namen Overture veröffentlicht wurde. Unearth Lite ermöglicht es Benutzer:inen, Fragen in natürlicher Sprache zu stellen, um Informationen zu verschiedenen Standorten abzurufen, wie z.B. die Anzahl der Starbucks in den USA oder die Standorte von Walmart in Phoenix. Es ist ein kostenloses Werkzeug, das die Interaktion mit geografischen Daten erleichtert.

© 2023 Unearth Insights.

Neven Josipovic, CIO der Stadt Braunschweig nutzte den experimentellen GPT Data Interpreter, um offene Verwaltungsdaten zu analysieren. Der CIO gab dem Modell drei Datensätze: Fluglärmkarten (Tag und Nacht) des örtlichen Flughafens und eine Stadtkarte. Er beauftragte das Modell, eine Karte zu erstellen, die die Lärmdifferenzen zwischen Tag und Nacht anzeigt. Obwohl das Modell in der Beta-Phase ist und einige Mängel aufweist, war es dennoch erfolgreich. In der Stabsstelle Digitalisierung, Smart City der Stadt Braunschweig werden aktuelle Entwicklungen intensiv verfolgt und Ansätze sowie Pilotprojekte entwickelt, um KI in der Verwaltung zu erproben.

Gerade in Kombination mit den Dashboards für urbane Daten, die zahlreiche Städte (z. B. Frankfurt/Main, Heidelberg, Mainz) verstärkt aufbauen, können diese Experimentieranwendungen einen höheren Mehrwert bilden. Zum einen könnte durch den Einsatz von generativen Modellen eine automatisierte Analyse von großen Datensätzen ermöglicht werden, wodurch Muster, Trends und Zusammenhänge identifiziert werden können, die dem menschlichen Auge möglicherweise entgehen.

Andererseits könnten Bürger:innen detaillierte, dynamische und interaktive Kartenansichten erhalten, die weit über traditionelle statische Darstellungen hinausgehen. Dies würde nicht nur das Verständnis und die Aufnahme von Informationen durch die Öffentlichkeit verbessern, sondern auch den städtischen Behörden helfen, datengesteuerte Entscheidungen schneller und effizienter zu treffen.

4. Weitere Anwendungsfälle

Im nächsten Teil dieser Artikelreihe werden voraussichtlich die folgenden Anwendungsfälle Generativer KI behandelt werden:

  • Kommunikation zwischen Stadtverwaltung und Stadtgesellschaft
  • Autonomes Fahren

5. Weitere Ressourcen

Über Urban Digital

Dieses Portal informiert über Themen, Akteure, Projekte und Strategien rundum die digitale Stadt. Unsere Vision ist es, die Triebkraft der Digitalisierung in die Bahnen einer erstrebenswerten Stadtentwicklung zu lenken.

Dazu forcieren wir den inhaltlichen Austausch über die digitale Stadt zwischen Akteuren aus Forschung, Wirtschaft, öffentlicher Verwaltung und Zivilgesellschaft.

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Dimitri Ravin
Dimitri Ravin
Dimitri Ravin befasst sich seit dem Jahr 2017 als Initiator von urban-digital.de mit dem Einfluss der Digitalisierung auf Städte. Parallel ist er mit Beratungs- und Vortragstätigkeiten i. Z. m. Smart City Projekten und Strategien tätig. Davor untersuchte er am Institut für den öffentlichen Sektor (KPMG) die Smart City-Strategien deutscher Großstädte und war als Projektassistenz für digitale Projekte bei der Stadt Dortmund angestellt. Mehr Informationen und Kontaktdaten →

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